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[ Band 5 Brief 62: Humboldt an Caroline Frankfurt, 8. Dezember 1815 ]
Ordentlich lächerlich ist es zu sehen, wie hier nun die Bundes- gesandten versammelt sind und alle aus eine große Tätigkeit hoffen, da man voraussehen kann, daß sie nur ziemlich unbedeutend werde sein können. Mir tun die hier Anwesenden sehr die Ehre an, zu wünschen, daß ich hier bleiben möge, und ich leugne nicht, daß ich es gern täte. Du könntest, und ich mit Dir, denn man kann ja hier nicht viel zu tun haben, im Sommer den Rhein wohl auf, wohl ab ziehen, und der Rhein und die ihn umgebenden Länder bleiben auch in der ganzen Welt immer ein einzig schöner, charak- teristischer Punkt, in dem sich Deutschheit und Naturgröße und Anmut vereinigen. Die Gesellschaften hier sind langweilig, aber die sollen uns auch wenig angehen. Wunderbar kommt es mir manchmal vor, wie ohne Stein und mich an keinen deutschen Bund gedacht worden wäre. Stein hatte seinen Plan schon früher gemacht. Ich machte den ersten hier im Jahre 1813. Viel, begreife ich wohl, wird und kann aus der Sache nicht werden. Allein einmal ist es doch sehr spaßig, daß auf eine Idee, die man gehabt hat, nun die Leute von allen Ecken hier zusammenkommen, sich ennuyieren und andere, gravi- tätisch sich zusammensetzen, und daraus ein ordentliches, mit Händen zu greifendes Wesen wird; und dann werden doch Begriffe des Rechts aufrechtgehalten, wo sonst alles in bloße Willkür ausarten würde. So eine aufgestellte Idee ist wie die Sterne am Himmel. Sie mengen sich auch nicht unmittelbar in die Dinge der Erde und lassen unter sich jeden Frevel begehen. Aber die Menschen trieben sich doch noch Verwirrter und wilder untereinander herum, wenn sie nicht immer über ihnen ständen wie strafende und tröstende Augen. Einzelne interessante Menschen gibt es hier gewiß und sogar nicht wenige, allein wenn ich von Dir getrennt bin, existiert das für mich nicht. Es gibt kein Zusammensein des Abends, es wird 147