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[   Band 5 Brief 62:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 8. Dezember 1815   ]


bloß nicht in Frankreich zu sein, so gewinnt doch auch dies negative
Gefühl ordentlich durch seine Stärke etwas Positives. Ich halte
sehr viel auf das Element, in dem man lebt, es ist sogar meines
Bedünkens das echte Glück, das man sich schaffen kann, sich mit
dem rechten zu umgeben, und alles Haschen nach diesem oder jenem
Genuß ist nichts dagegen und nur ein unverständiges Streben. Was
auch so errungen werden mag steht immer einzeln da und erhält erst
seinen Wert, wenn es in die Vergangenheit tritt und nun zur Er-
innerung wird, dem wohltätigsten aller inneren, geistigen Elemente.
Ich sehe Carolinen alle Tage, und selten ist einer, an dem
wir nicht einige Stunden miteinander zubringen. Vorgestern habe
ich ihr den Agamemnon vorgelesen, an dem sie viel Freude ge-
funden hat. Auch hat er ihr, was mich sehr freut, nicht dunkel
geschienen. Ich habe ihn in diesen Tagen geendigt und mit Fleiß
die ersten dazu genommen, die immer die arbeitfreiesten sind. Die
vorletzte Szene, die große der Klytämnestra, hat Pfuel mit nach
Leipzig genommen, sie an Hermann *) abzugeben, es bleiben mir
jetzt noch einige 20 Verse durchzusehen übrig, dann will ich noch
einmal das Ganze genau überlesen, noch vielleicht einzelne Härten
wegzubringen, und dann die Hand davon abziehen. Aber ich kann
mich nicht eher davon trennen, bis ich nicht mehr daran zu tun
weiß. Ich habe eine innere Liebe dazu, die mich immer wieder
dazu zurückführt.
Über die Länge meines hiesigen Aufenthalts weiß ich noch
schlechterdings nichts zu sagen und werde es vielleicht, ja sogar
wahrscheinlich, bis gegen das Ende nicht können, da die Haupt-
ungewißheit in den Verhandlungen liegt, die man jetzt in München
macht. Wie diese beendigt sind, müße es hier nicht lange dauern.
Ich rechne nur bis auf die Hälfte des Januars.

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*) Gottfried Hermann, geb. 1772, † 1848, Philolog, Professor der
Philosophie und Beredsamkeit.

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