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[ Band 5 Brief 59: Humboldt an Caroline Frankfurt, 30. November 1815 ]
Gelegenheit auch Deine Beschreibung in der Lit. Zeitung nach- gelesen und sehr treu befunden. Ach, überhaupt, liebes Herz! Alexander malt, und nicht übel, kennt die Sachen sehr gut und ist sehr nützlich beim Bilderkaufen. Allein mit welchen Worten er alles Gefühl wegspricht, davon hast Du keinen Begriff. Er hat seine eigentümlichsten Ideen für fremde Phrasen verkauft. Es tut mir innig leid, eine seltene Natur so untergehen zu sehen, und es ermüdet auch furchtbar die Ohren, da sein Redefluß unerbittlich dahinrauscht. Gentz, der dies auch fühlte und mich oft in Paris im Gegensatz mit Alexander verteidigt haben will, hat über uns etwas sehr hübsches, wenn auch nicht gleich Wahres gesagt. Wir wären beide eigentlich ein und dieselbe Form, und unser ganzes Wesen bestände in einer totalen Gleichgültigkeit und Geringschätzung alles Möglichen; der Unterschied wäre bloß, daß der eine sein Ich immer blicken, der andere nie sehen ließe. Bei Charakteristiken fällt mir ein, hast du denn die kurze gesehen, die neulich der »Rheinische Merkur« von mir gemacht hat? »Humboldt kalt und klar wie die Dezembersonne.« Es ist närrisch, daß er nie recht gewagt hat, mit mir anzubinden. Der arme Kanzler ist in derselben Stelle sehr schlecht behandelt, wie eine vollkommene Null; er hat es tief gefühlt. Gegen die Religionsänderung der Prinzessin Charlotte habe ich schon früh dem Kanzler gesprochen. Es ist unanständig und war nicht notwendig. Ändern denn die russischen Großfürstinnen je? Aber was hilft es? Du weißt, daß Perlins Frau ihm gefolgt ist und von selbst, ohne Gewalttätigkeit, eine wahrhaft edle Natur, die nur den tiefen Schmerz des Gemüts braucht, um sich vom Dasein zu befreien. Es hat mir recht die Spanier der alten Romanzen zurückgerufen, die aus reiner Liebe starben. Goltz zum Bundestag wehre ich ab. Es wird freilich ein 135