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[ Band 5 Brief 59: Humboldt an Caroline Frankfurt, 30. November 1815 ]
Ich bin unendlich reich an Briefen von Dir, süßes, teures Kind, und habe alle vom 9. bis 23. richtig bekommen, einige unter- wegs, Du bist so unendlich gut, mir soviel zu schreiben. . . . Ich gehe jetzt wenig zu Fuß aus, trage auch im Wagen Überrock und Mantel und habe noch einen Fußsack außerdem. Allein ich tue das weniger aus Bedürfnis, als der Kälte zum Verdruß, die ich mehr wie je hasse. Deutschland könnte so gut als Italien ohne Eis bestehen, und es ist eine ganz unnütze Neckerei der Schöpfung, einen diesseits immer in Schnee zu begraben und jenseits ganz warm zu bescheinen. Man nimmt das alles viel zu geduldig hin. Dabei fällt mir immer der Adelheid ihr göttliches pare vetro *) ein, das sie einmal in einem Garten in Rom sagte. Jetzt findet sie, wie ich aus einem ihrer Tegelschen Briefe sehe, den Anfang des Winters sogar schön. Was nicht die Liebe und das Vaterland machen. Das arme Kind! Sage das aber ja nicht August wieder. Doch siegen auch in mir die kindisch nordischen Ideen manchmal. Noch heute früh, als ich die Fensterscheiben so gefroren sah, rührten mich die Blumen und wunderbaren Gestalten ordent- lich und riefen mir meine Kindheit zurück, wo ich oft allein in die Fremdenstube Mamas ging, die nicht gewöhnlich geheizt wurde, diese Pracht zu bewundern. Man ist auf die Idee gekommen, die spanischen Rafaels kopieren zu lassen, und ich bekam Auftrag deshalb. Die Sache rührt von Gneisenau her, der jetzt meint, Preußen müsse die Künste durch Kaufen beschützen, und er verlangte, daß ein Franzose sie kopieren sollte, weil die Franzosen nicht zum freien Malen, aber zum sklavischen Kopieren großes Talent hätten. Mir tat es zwar leid, das Kopieren so behandelt zu sehen, aber warum soll man streiten, und ich trug es Steuben auf. Man mußte mit der Perle anfangen, die am wenigsten verdorben ist. Wir haben bei dieser ——— *) Es scheint Glas zu sein. 134