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[   Band 5 Brief 55:    Caroline an Humboldt     Berlin, 13. November 1815   ]


Armeen sich so glorreich erworben haben, haben sollten. Das kann
mich immer tief verdrießen; nicht aus Eitelkeit, Gott weiß es. Aber
es gibt ein Gefühl der Würde, was man nie bei Seite setzen muß.
Indem der Staat es tut, kränkt er auch tief die Individuen, die
alle ihre Kräfte für ihn aufwenden, und lähmt dadurch die mora-
lische Kraft des Besseren.
So hat man die Regierung von Merseburg jetzt mit vier Re-
gierungsräten besetzt, die alle, ohne Ausnahme, recht eigentlicher
Auswurf sind. So sucht man jetzt durch Bülow *), den Minister,
einen Menschen in unsere Dienste zu placieren, der ein verruchtes
Buch zum Lob der westfälisch-französischen Regierung Anno 1813
geschrieben. Es geschehen in der Art hier unglaubliche Dinge.
Dagegen bleiben andere wirklich ausgezeichnete Menschen ganz in
den unteren Klassen.
Ein recht ausgezeichneter der Art scheint mir Beuth **). Er
hat ein fatales Äußere, keinen Bart und eine feine Stimme,
aber in seinen Gesinnungen ist er desto männlicher. Er ist auch
ein großer Protegé von August. Er besitzt ungemein schöne Kunst-
kenntnisse, besonders wohl der Kunst und der Literatur des Mittel-
alters und ist durchaus ein edler, fester, rechtdenkender und -han-
delnder Mensch.
Wir haben bei dem Ehepaar [Hedemann] Sonnabend den 11.
zum ersten Male Tee getrunken. Außer mir und meinen Hausge-
nossen waren nur Rochow ***) und Beuth und Wolfart da. Alles
große Protegés von August. Sie sind ganz hübsch eingerichtet.

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*) Vgl. S. 50. Bülow war 1808 unter Jérôme westfälischer Finanz-
minister gewesen.
**) Peter Christian Wilhelm Beuth, geb. 1781, † 1853. Geheimrat im
Finanzministerium. 1821 Staatsrat. Bedeutender Förderer des Gewerb-
fleißes in Preußen.
***) Vermutlich Adolf v. Rochow, geb. 1788, Adjutant und später Hof-
marschall des Prinzen Wilhelm (Bruder).

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