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[   Band 5 Brief 55:    Caroline an Humboldt     Berlin, 13. November 1815   ]


55. Caroline an Humboldt                  Berlin, 13. November 1815

Deine Nummer 41 vom 1. November habe ich später wie ge-
wöhnlich bekommen, geliebtestes Herz. Ich bin sehr begierig,
ob Du den 15. von Paris wegkommst. Daß der Kanzler
immer unwohl ist, schmerzt mich sehr. Hier warten aller Augen und
vermutlich auch aller Hände auf ihn. Das Gerücht seiner Unwohl-
heit ist im Publikum, obgleich ich mich wohl hüte, sie zu erwähnen.
Goltz *), der ehemalige Minister, hat sich, sagt man, Rechnung
gemacht, nach Frankfurt zum Bundestag zu kommen. Er oder viel-
mehr sie, die Gräfin **), sprechen auch von London, und daß ihr Mann
den Posten nicht annehmen könne, weil er der Sprache nicht kundig sei.
Wie hier die Klagen über das Abnehmen der Universität zu-
nehmen, das kannst Du nicht glauben. Man gibt im Publikum
Schuckmann schuld, daß er die Universität eingehen lassen wolle.
Also Pauline Wiesel ist auch noch allant! Die Arme! Für
dergleichen Schicksal hat man immer ein tiefes Mitleiden.
Varnhagens Ernennung nach Karlsruhe hat mich allerdings
frappiert. Er macht eine schnelle Karriere. Ich kann es nicht ap-
probieren, und obgleich seine Frau gewiß besser als er ist, so ist
sie doch bei einem Posten der Art gewiß ein reelles Hindernis,
was man in Erwägung hätte ziehen sollen. Die Judenliberalität
kann ich nicht so unbedingt protegieren. Sie macht uns höchst lächer-
lich im Auslande und schadet dadurch in viel andern Beziehungen.
Wir haben überhaupt nach außen hin gar noch nicht den Aplomb,
den wir der Größe des Staats nach, der Größe der Begebenheiten,
die wir herbeigeführt oder entschieden, und dem Gewicht, was unsre

———
*) August Friedrich Ferdinand Graf v. d. Goltz, geb. 1765, † 1832,
Minister des Auswärtigen von 1807 bis 1814. Gesandter am Bundestag
von 1816—1824, 1817 Staatsrat. Vor und nach dem Bundestag Ober-
hofmarschall.
**) Juliane v. Schack, verwitwete Gräfin von Czettritz-Neuhaus.

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