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[ Band 5 Brief 49: Humboldt an Caroline Paris, 28. Oktober 1815 ]
ich doch, was bei großer Wirksamkeit unumgänglich nötig ist, nie bei vielen Vertrauen haben werde. Das liegt in meiner besonderen Individualität, die ich nun einmal für keine Sache aufgeben werde, dann auch wirklich in gewissen Mängeln. Das Volksvertrauen ist ein Glück, dem aber in dem, der es hat, auch immer eine beneidens- würdige Anlage, eine Art Genie des Charakters entspricht. Endlich kann ich selbst nicht leugnen, daß alle Erfolge in privaten und öffentlichen Dingen mir immer gleichgültiger sind als die Konsequenz des Handelns, sie hervorzubringen. Ich weiß recht gut darum, daß ich deswegen nicht weniger eifrig und nicht weniger einfach auf den Erfolg hinwirke. Allein anderen bringt man diese Über- zeugung nie bei, und die Art, was in der Beurteilung bei anderen schaden kann, zu vermeiden, oder, was ich besitze, bei anderen geltend zu machen, ist nicht die meinige und wird es nie sein. Es ist vielmehr eine wahre Unart, die ich oft bekämpfen muß, daß ich fast das Gegenteil tue. Aus allen diesen Gründen sehe ich meine Geschäftswirksamkeit nur sicher an, solange ich unter dem Kanzler stehe. Nachher wird die Krise kommen, die mich vermutlich bald dem Privatleben wiedergibt, für das ich vielmehr geboren bin. Verzeih die lange Stelle über mich. Dein Brief brachte mich darauf, und es gibt wenig Menschen, die es so sehr der Mühe wert halten, sich Rechenschaft von sich selbst abzufordern, als ich. Und wem gäbe ich sie lieber als Dir? die Du alles, die einzelnen und allgemeinen Verhältnisse, immer von innen aus durchschaust, immer richtig beurteilst, und, wenn du sprichst oder schreibst, so behandelst, daß das tiefste Gemüt sich darin ausspricht. So war auch die Stelle in Deinem letzten Brief wundertreffend und wundergut gesagt. Daß der 18. Oktober nicht in Berlin ge- feiert worden ist, ist unbegreiflich und unverzeihlich. Ich habe dem Kanzler gesagt, daß er es notwendig rügen muß. Er meint zwar, 109