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[ Band 5 Brief 47: Caroline an Humboldt Berlin, 19. Oktober 1815 ]
47. Caroline an Humboldt Berlin, 19. Oktober 1815 Ich habe letztens gar nicht auf die sehr hübsche Anekdote in Deinem Brief, auf das Gespräch des Erbprinzen von Mecklenburg mit dem König, geantwortet. Ich finde es außerordentlich hübsch, und es hat mich, August und die Kinder sehr amüsiert. Es ist immer gut, daß dem König dergleichen ge- sagt wird, wennschon ich zugeben will, daß der Erbprinz etwas weit in einem Gespräche ging, das bei Tische gehalten wurde. Das ist eine trostlose Idee, daß es kein Deutschland gäbe. Freilich gestehe ich, daß es in gewissem Sinne noch immer ein unsichtbares Reich ist, aber wer hat nicht in dieser Zeit an das Unsichtbare glauben gelernt, das über dem Sichtbaren waltet, und wer möchte leugnen, daß diese Kriege, und vor allem die glänzenden Schlachten des Jahres 1813, mehr durch die heilige Glut, die in den Herzen der Kämpfenden lebte, als durch die materielle Kraft ihres Armes aus- gefochten sind? Ich muß mich ärgern, zu sehen, daß die Jahrestage der Schlacht von Leipzig ohne alle öffentliche Erinnerung, ohne alles Fest- und Dankgebet vorübergehen. Das ist nicht recht. Den Sinn des Volkes sollte man fortdauernd auf so große Begebenheiten richten; denn die Zeit träger Ruhe, die in unserer Kindheit war, die ist gewiß noch auf lange Zeit vorbei. Und wohl uns, daß sie vorbei ist, und im Umschwung der Dinge kann die wohl so leicht nicht wiederkommen. Das Volk, des man bedarf, ohne das man in letzter Instanz eigentlich nie das Große ausführt, in dessen Sinn sollte man auch das geschehene Große recht im Andenken erhalten und es daran für die Zukunft erziehen. 104