< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 27:    Caroline an Humboldt     Berlin, 7. September 1815   ]


zu bringen vermag. Hier, dünkt mich, ist viel gegeben, ein zu ängst-
liches Modeln könnte leicht sehr unwohltätig sein. Was heißt das
eigentlich, er müsse die Zeit so benutzen, damit er und Adel sich
im tiefsten Herzen erkennten usw. Die Liebe, das Erkennen, das
aus ihr hervorgeht, ist keine Wissenschaft, sondern eine Flamme,
die mächtig das Innere belebt und ergreift und auf alles Äußere
einen heiligen Glanz wirft.
Doch ich will nicht mehr darüber schreiben, wir sprechen wohl
einmal darüber, doch wann nun? wird mir zweifelhafter, denn
dies, fühl ich, geht nicht, und weil ich das fühle, darf ich es nicht
vor Adel zum Aussprechen kommen lassen.

                                                             Den 8.
Je mehr ich, mein süßes Leben, über Deinen vorigen Brief
nachdenke, je deutlicher ist es mir, daß August nicht die Sorgen
einer Häuslichkeit übernehmen will, wie er es täte, wenn ich fort-
reiste, und Caroline in seinem Schutz bliebe. Ich gestehe, daß
es mir unerwartet gekommen ist. Mit Frau v. Hedemann sprach
ich gestern über die Notwendigkeit, ein Quartier zu nehmen, und
sie zeigte mir bei dieser Gelegenheit Augusts Brief, den ersten vor
dem 26. geschriebenen. Er sagt in selbigem deutlich, er wünsche
mit Adelheid allein zu wohnen, es sei gut, wenn sie sich gewöhne
selbständig zu stehen, auch könnte es im Hause, da sie die jüngere
Schwester sei, unangenehme Kollisionen mit der älteren Schwester
geben, die störend würden. Er fügt dann freilich noch viel Liebes
und Zärtliches für mich hinzu, allein, mein bester Wilhelm, sein
Wunsch ist sehr klar ausgesprochen, und ich gestehe, daß ich, da
sich dies alles in ihm so stellt, Carolinen nicht ohne Besorgnis bei
ihm lassen würde. Denn fühlte sie sich nicht gern gesehen und
liebend getragen, so könnte das schlimm wirken.
Also, mein geliebtes Leben, ci vuol pazienza! — Entsagen ist
ein Wort, dessen ganze gewichtige Bedeutung das Leben einen

                                                                       55