< zurück Inhalt vor >
[ Band 5 Brief 20: Humboldt an Caroline Paris, 25. August 1815 ]
recht im Ernst daran. Im Mittag von Frankreich gehen alle horreurs vor, die man in der Revolution gekannt hat. Man rechnet die Zahl der dort in den verschiedenen Städten Umgekommenen auf 5000. In Nimes hat man einen Menschen ordentlich lebendig auf einem Rost gebraten. Diese Dinge rühren nicht von Jakobinern, sondern von durch Angoulême *) angestellten und unterstützten Royalisten her. Wenigstens haben die von ihm Angestellten gewiß dabei konniviert, und auf jeden Fall ist die Partei, die solche Greuel ausübt, eine sich königlich gesinnt nennende. Es mischt sich zugleich Religionshaß hinein. Man beschuldigt die Protestanten, sich über Napoleons Rückkunft gefreut zu haben, und ganz ohne Grund ist diese Beschuldigung nicht, weil die Protestanten Beein- trächtigung ihrer Rechte von der königlichen Regierung besorgten. Nun verfolgen die Katholiken ohne Unterschied die Protestanten und gehen so weit, selbst ihre Häuser zu schleifen. Seitdem der König dem Herzog von Angoulême die Vollmacht genommen hat, die er ihm während seines Aufenthalts in Gent gegeben hatte, geht es allerdings etwas besser, aber gedämpft ist die Unruhe lange noch nicht. Du fragst mich über den Weg, den Du nehmen sollst, teures Herz. Auf alle Fälle durch die Niederlande, Köln, Lüttich, Namur oder Brüssel. Aber bis Du kommst, muß ich Dich erst noch genauer davon unterrichten. Überhaupt ist noch eine Besorgnis, die ich nicht ableugne, für mich bei Deinem Kommen. Ich kann es mir kaum denken, daß es hier ruhig bleibt. Geht es auch noch so gut, so steht meines Erachtens der König immer nur so, daß er wie ein Kartenhaus umfällt, wenn man ihn anbläst, und es auf dieses An- blasen ankommt. Die Wege sind schon jetzt unsicher und können ——— *) Louis Antoine de Bourbon, Herzog von Angoulême, geb. 1775, † 1844. Sohn des nachmaligen Königs Karl X. Entsagte infolge der Juli- revolution mit seinem Vater der Krone. 38