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[ Band 5 Brief 12: Humboldt an Caroline Paris, 5. August 1815 ]
reich. Der Kanzler ist eines Sinnes mit mir, aber es ist nicht mehr die gewohnte Kraft. So setze ich bei weitem nicht durch was ich möchte und mache mich doch gewissermaßen verhaßt, na- türlich auch bei den Franzosen, wie höflich sie auch jetzt und äußerlich sind. Diese Rolle wäre nun noch immer einigermaßen zu spielen, wenn bei uns selbst die Dinge gut ständen. Aber bei der Armee geht man sehr, sehr oft zu weit, in unserm eigenen Innern ist Verwirrung, Vielfachheit der Köpfe. So muß man oft verteidigen, was man, wenn man die Kraft dazu hätte, lieber hinderte. Ich bin mir be- wußt, daß ich mich mit soviel Vorsicht und Klugheit benommen habe, wie in dieser ungeheuer schwierigen Lage möglich war. Aber ganz reicht sie nicht hin. Nur eins habe ich erreicht, mit den zu- gleich ganz Gutgesinnten und Gemäßigten, wie Gneisenau, bin ich vollkommen eins. Er billigt mich, mein Betragen, hat Vertrauen. Auch mit Blücher, Grolman und Boyen bin ich gut. Sie haben Achtung, und ich kann auf sie wirken. So, teures Wesen, steht es mit mir. Du siehst, daß es ein ziemlich freudenloses Leben ist. Aber ich suche die Freude selten außerhalb, und den Genuß meiner selbst und meiner Einsamkeit, die ich sogar in der Gesellschaft wieder- zufinden weiß, habe ich auch hier, und so bin ich gesund und immer heiter. Paris, das bloß Materielle, gefällt mir diesmal mehr wie je, und ich kann Dir nicht sagen, wie gern ich manchmal des Abends, wenn ich aus einer Gesellschaft komme, auf den Brücken oder an den Kais zu Fuß verweile. Lebe wohl, meine liebe, einzig gute und teure Seele. 21