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[   Band 4 Brief 283:    Humboldt an Caroline    Wien, 4. Junius 1815   ]


Service machen zu lassen, um es mir in einem Jahre zu schicken.
Ich habe Gentz gesagt, daß ich auch in zehn Jahren nichts nehmen
würde, und tue es gewiß nicht. Gentz hat aber so gar keinen Begriff
davon, daß es möglich sei, so etwas nicht zu nehmen, daß er mir
heute weitläuftig auseinandergesetzt hat, daß ihm das ein Rätsel und
ein unauflösliches in mir sei, da die Sache weder unrecht noch un-
delikat sei, und ich es auch nicht aus Ostentation, um damit zu
prahlen, oder aus Stolz, um nicht von einem Juden Geschenke zu
nehmen, tue. Das sagte er wirklich ganz ernsthaft und im Grunde
sind diese Maximen unter den Menschen, die die Geschäfte machen,
allgemein. Ich habe ihm bloß gesagt, daß, wenn man sich der Dinge,
die man einmal betriebe, so warm als ich annähme, die erste Be-
dingung ein reines Bewußtsein sei. Ich in mir kenne nichts so Un-
edles, in Geschäften nicht rein und lauter wie Gold zu sein.
Verzeih, daß ich so lange dabei verweilt habe, aber es zeigt
Dir zugleich, wie viele Dinge, wo nicht alle, hier getrieben werden.
Lebe wohl, mein teures, innig Geliebtes.


284. Humboldt an Caroline   Wien, 9. Junius 1815

Diesen Brief gebe ich dem Staatskanzler mit, liebe Li. Er geht
endlich morgen von hier weg. Ich denke morgen über
acht Tage wegzureisen, allein rechne nicht mit Gewißheit
darauf.
Ich bin in diesen letzten Tagen ungemein beschäftigt gewesen,
alles kam auf einmal zusammen, und die Konferenzen nehmen
bis zum späten Abend kein Ende. Noch heute komme ich, es ist
nach Mitternacht, eben erst aus einer. Wir haben heute abend
alle Artikel des großen Kongreßvertrages, es sind 120, vorläufig
unterzeichnet, und es ist eigentlich jetzt nur noch eine Sache zu

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