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[ Band 4 Brief 278: Humboldt an Caroline Wien, 15. Mai 1815 ]
lange Spazierfahrt allein mit dem Kanzler machte, habe ich es ihm erzählt. Du glaubst nicht, wie er sich gewundert hat. Jetzt bin ich mit Boyen sehr gut und freundschaftlich. Daß der Scherz mir nie ausgeht, ist eine tiefwahre Bemerkung in Dir, und wirklich liegt er mir auch viel tiefer als man meinen sollte. Auch möchte ich es nicht anders. Er ist recht eigentlich etwas Göttliches im Menschen, weil er eine völlige Freiheit des Geistes, ein Schweben über dem, was einen selbst betrifft, vor- aussetzt. Der Ernst zieht immer weit mehr zur Materie herab, und daher ist der schönste Ernst der, der den Glanz des Scherzes erträgt und in und neben ihm fortdauert. Bei mir, kann ich sagen, nimmt diese Freiheit zu, und wenn ich, wie man nicht voraussehen kann, noch bestimmt sein sollte, in verwickelte Lagen zu kommen, wo große Gefahren von allen Seiten wären, so würde ich auf diese Reinheit des Gemüts, sich nie von der Wirklichkeit fesseln zu lassen, vor- züglich rechnen. Ich fuhr, wie ich Dir sagte, heute mit Hardenberg spazieren. Er war wie immer ungemein gut und zutraulich und hat mir ge- sagt, daß er heute dem König den Vorschlag gemacht hat, mich mit ins Hauptquartier zu nehmen. Mein Verhältnis wird aber doch etwas neu. Metternich hat nämlich schriftlich an Preußen und Rußland in einer Note erklärt, wie er Vorschläge, daß die drei Höfe, deren Souveräne im Hauptquartier sind, gar keine Gesandten bei einander während des Krieges hätten. Alle übrigen Höfe sollten nur einen Gesandten bei allen dreien haben und dies corps diplo- matique soll immer in einiger Entfernung vorn Hauptquartier resi- dieren. Darum sollen dann von jedem der drei Höfe ein Minister oder andere Person bei diesem corps diplomatique sein. Ich habe ihn in Verdacht, daß er dies letzte in der Hoffnung erdacht hat, daß ich von Preußen aus diesen Auftrag haben sollte, und er mich so aus dem Hauptquartier los würde. Daraus wird nun aber 555