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[   Band 4 Brief 274:    Humboldt an Caroline    Wien, 5. Mai 1815   ]


ein einsames Plätzchen fanden, eine hübsche Wiese dicht am
Walde.
Boyen wollte, daß ich zuerst schießen sollte, allein da er der
Beleidigte war, brauchte ich es nicht, und ich hatte meine guten
Gründe, es nicht zu tun.
Er schoß also zuerst. Ich bin ganz offenherzig, bis er ge-
schossen hatte, im Zweifel gewesen, ob er wirklich auf mich schießen
wollte oder nicht. Auf der einen Seite war es zwar klar, daß
die größte Unannehmlichkeit bei diesem Duell für den Verwundenden
war. Denn, da wir beide jetzt nötig sind, so würde der Verdruß
und Vorwürfe gehabt haben. Aber auf der anderen Seite war
er in so wahrem Zorn gewesen und auch geblieben und schien doch
an sich so ernsthafte Ideen über die Sache zu haben, daß es auch
anders sein konnte. Er zielte wirklich lange und gerade auf mich,
aber ich sah, daß im Augenblick des Abdrückens er der Pistole
eine andere Richtung gab. Mir versagte die Pistole. Da ich
aber sichtbar von der Seite gehalten hatte, wollte Boyen den
Schuß nicht gelten lassen. Ich versicherte ihn erst, daß es, wenn
ich gerade auf ihn hielte, nicht anders sei, da ich so nur um so
eher fehlte. Als er aber ernsthaft weiter in mich drang, sagte ich
ihm, es könne mir nicht in den Sinn kommen, ihn, nachdem ich
schon Veranlassung zur Sache gegeben hatte, noch zu verwunden,
und so zu tun, als schösse ich, wie er getan hätte, könnte ich auch
nicht, weil ich dazu meines Schusses gar nicht mächtig genug sei.
Übrigens möge er sagen, ob er die Sache für ausgemacht halte
oder nicht. Er sagte ja, und so gingen wir auf die Donaubrücke,
wo wir viel und sehr gut miteinander sprachen, fuhren nach Hause
und schieden in voller Freundschaft.
Der arme Wolzogen schien vorzüglich froh, denn es war ihm
deutlich anzusehen, daß er auf dem ganzen Wege in Angst war
und gar nicht wußte, wie er daran sei.

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