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[ Band 4 Brief 271: Humboldt an Caroline Wien, 30. April 1815 ]
Daß Du im Übermaß von Glück und Freude und Wehmut bist, fühle ich sogar hier, da ich nicht Zeuge bin. Alles, was in dem Herzen der kleinen Adelheid vorgeht, beschäftigt auch das Deine. Es hat mich sehr gefreut, aus ihrem letzten Briefe zu sehen, daß sie ein unendlich hübsches, einfaches, religiöses Vertrauen hat. Überhaupt ist die Frömmigkeit der beiden Mädchen, da sie so unmittelbar aus dem Herzen stammt und gar nicht mit peinlichen, kleinlichen Gefühlen verbunden ist, unendlich viel wert. Ich bin wie ein Kind neugierig auf Adelheid. Ich kann mir gar nicht denken, wie sie über die Lippen bringt, »mein Mann« zu sagen. Ich habe schon ein entsetzliches Wundern, wenn ich mir denke, daß ich »mein Schwiegersohn« sagen muß. Schleiermachers Rede hätte ich wohl hören mögen. Er hat ein seltenes Talent, zu sagen, was aus dem Allgemeinen heraus auf das ganz Individuelle paßt. Grüße ihn sehr von mir und danke ihm. War die Herz auch in der Kirche? Meine Lage bleibt, obgleich ich ins Hauptquartier gehe, dennoch wesentlich die alte, ich bleibe Gesandter am hiesigen Hofe. Es ist ein ganz eigenes Schicksal, daß Metternich und ich durch- aus nicht voneinander kommen können. Ich wäre lieber bei uns in einem reinen Verhältnis gewesen. Allein das ist bei des Kanzlers Art zu arbeiten nun einmal, so viel ich ihn gebeten habe, nicht zu erreichen. Er will sich nicht von der unmittelbaren Führung des Departements lossagen, obgleich es unmöglich ist, daß er sie besorgt, und daher die Sachen unglaublich liegen bleiben. Heiße ich daher im Hauptquartier nicht Gesandter, so habe ich eigentlich gar kein bestimmtes Geschäft, arbeite zwar gewiß viel, allein laufe doch nur so mit. Dagegen heiße ich auch so, verhindert das nicht, daß ich doch unser Departement ganz leitete. Über die Kongreßgeschenke, die Dosen nämlich, hat Clancarty eine ordentliche Motion gemacht. Er hat vorgestellt, daß eine solche 538