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[ Band 4 Brief 269: Humboldt an Caroline Wien, 18. April 1815 ]
Tiefe leben. Die anderen betäubt die Freude oder macht der Schmerz, der ohne sie furchtbar und entsetzend ist, starr. Die Freude Carolinens über Adels Verlobung zeichnet wirklich sehr ihre tiefe innere Güte. Nach Karlsbad mußt Du armes Kind also doch mit ihr. Mit dem Magnetisieren laß doch fort- fahren, wenn es so gut zu wirken scheint. Es ist eine wunderbare Sache damit. Hier war eine Somnambule, die viele besucht haben. Stein ist so erstaunt und gerührt gewesen, daß er ganz außer sich geweint haben soll. Ich liebe übrigens den Magnetismus nur wie eine Arznei. An sich ist mir diese Herrschaft über ein fühlendes Wesen entsetzlich widrig. Es ist eine wahre Begünstigung einer Rebellion der Nerven gegen das Gehirn, an dessen Stelle jene auf einmal sich zu denken und zu räsonieren herausnehmen. Es hat auch etwas Niederschlagendes für die Menschheit, daß die höhere Kraft, die augenblicklich wach wird, sich immer nur im Kreise des physischen Wohl- oder Übelbefindens hält. Wenn wenigstens manchmal nur der Magnetismus auch für andere Dinge, für Ideen begeisterte, wie es die Alten von den Prophetinnen glaubten. Es ist indes die Frage, ob das nicht zu bewirken wäre, wenn man dem Gehirn beikommen und dies, als den eigentlich dem Denken gewidmeten Teil, magnetisieren könnte. Was sagst Du, süßes Herz, zu dem Brief vom Schatz *), den ich Dir schicke? Ich habe ihn plötzlich bekommen und ihm auch schon geantwortet. Man sieht dem Geschriebenen eine große Alters- schwäche an. Ich habe gestern seine Pension, die die neuen Be- sitzer seines Landes zahlen, 100 000 Florin, in der Konferenz angebracht. Es ist in allem recht. Er war ehemals deutscher Fürst, was er 1803 durch das Reich bekam, ging in sein Land über, und das hat er verloren. Auch die Summe ist nicht zu viel. Allein, solltest Du glauben, Wrede handelte und wollte nur 80 000 geben. Aber ——— *) Dahlberg. 534