< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 264:    Caroline an Humboldt     Berlin, 1. April 1815   ]


264. Caroline an Humboldt                        Berlin, 1. April 1815

Donnerstag, als vorgestern, habe ich Deine sehr lieben Briefe
vom 23. und 24. März empfangen, mein teures, süßes
Herz. Wir gingen darauf nachmittags spazieren und
ganz zufällig bei Frau v. Hedemann heran, um sie zu fragen, ob
sie Nachrichten von ihrem Sohn habe. Sie sagte Nein, erwarte
ihn aber zwischen 4 und 5 Uhr, als Frau v. Gundlach, die
Schwester der Frau v. Hedemann, die von ihrem Sitz in das
offene Nebenzimmer sehen konnte, aufschrie: »Da ist er!« Er
stürzte seiner Mutter in die Arme, und darauf umarmte er uns
alle. Ich sah an seinem Gesicht, wie er kaum glauben konnte, daß
das Adelheid sei. Er wiederholte immerfort mit Heftigkeit, wie
Gabrielle ganz, ganz ihre Physiognomie behalten hätte, wie er sie
unter Tausenden wiedererkannt haben würde, aber Adelheid habe
sich sehr verändert. Freude und inniges Wohlgefallen strahlten
ihm aus den Augen, die Schwestern weinten vor Freude, er selbst
war unbeschreiblich bewegt, und es kamen ihm mehrere Male die
Tränen in die Augen. Kurz, ich möchte um vieles die Stunde
nicht erlebt haben.
Ich ging bald weg, um die Seinen frei mit ihm zu lassen,
er kam am Abend zu mir, wir blieben allein, er blieb bis 11 Uhr.
Doch konnte ich nur wenig eigentlich mit ihm reden, er war ganz
verloren in Adelheid und Gabriellen. Ich sage und Gabriellen,
denn um sein jetziges Sein an etwas anzuknüpfen, sucht er alles
hervor, was an die Vergangenheit von 1811 erinnert, wo er im
August die Kinder zuerst sah. Nur dadurch, daß er die Kinder-
scherze noch geltend zu machen sucht, darf er gleich so innig be-
kannt mit ihnen sein. Die süße, kleine Neckerei ist ihm dann auch
wohl noch außerdem lieb, um seine tiefe Wehmut über den neuen
Kampf, die neue Trennung in etwas zu verbergen. Ganz kann

                                                                       518