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[ Band 4 Brief 258: Humboldt an Caroline Wien, 27. März 1815 ]
Gang gehe. Müßte ich nach London, so begleitest Du mich doch, mein teures Wesen? Der armen Emma Tod hatte mir Körner geschrieben. Ich schicke Dir den Brief, der denselben starren, schrecklichen Schmerz ausdrückt, der fast Kälte scheint. Sein Wunsch ist schon erfüllt. Er ist in Schuckmanns *) Ministerium angestellt und kommt vermutlich bald zu Dir. Das Schicksal der unglücklichen Eltern ist fürchter- lich. Ich schrieb Dir nicht bis jetzt darüber, weil er mir sagte, er habe Dich darauf vorbereiten lassen, und ich Dir nicht unvermutet den Schreck machen wollte, wie ich ihn gehabt habe. Lebe innigst wohl. 259. Humboldt an Caroline Wien, 28. März 1815 Die Sache in Frankreich hat für den Augenblick ihren Gipfel erreicht. Wir haben heute durch Baden die telegraphische Nachricht aus Straßburg bekommen, daß Bonaparte vermutlich am 22. in Paris eingezogen ist. Eine Stunde darauf wurde die weiße Fahne vom Turm abgenommen. Was aus dem König geworden ist, weiß man bis jetzt noch nicht. Neys Abfall soll gewiß sein. Man versichert, er habe bei seiner Abreise zur Armee dem Könige mit Tränen die Hand geküßt und ihm ver- sprochen, wenn es nicht anders sei, ihm als Volontär zu dienen. Talleyrand sagte mir heute: »Avouez qu’il n’y a pas de nation aussi indigne que la mienne.« Die Art, wie der zur Erkenntnis kommt, ist mir oft lächerlich. ——— *) Friedrich Freiherr v. Schuckmann, geb. 1755, † 1834, Geh. Staats- rat, seit 1814 Chef der Abteilung für Kultus und öffentlichen Unterricht, später Minister. 508