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[ Band 4 Brief 258: Humboldt an Caroline Wien, 27. März 1815 ]
258. Humboldt an Caroline Wien, 27. März 1815 Über die Lage Frankreichs geht ein Gerücht, das im höchsten Grade beunruhigend ist, nämlich das von Neys Abfall und Suchets *) Wankelmut. Sind diese beiden Dinge wahr, so kommt Bonaparte wohl ohne Zweifel, ohne daß ein einziger Flintenschuß fällt, nach Paris — eine Schmach, die nicht leicht eine Regierung je größer erleben kann. Es wird jetzt (unter uns) ein Allianztraktat zwischen Österreich, Preußen, Rußland und England geschlossen, den wir heute abend unterschreiben. Er ist in ganz allgemeinen Ausdrücken abgefaßt. Ich habe mit vieler Mühe am Ende doch glücklich alles daraus entfernt, was ihn zu einem bloßen Hilfstraktat mit den Bourbons gemacht hätte. Einen Artikel hat man mir doch noch hineingebracht, in dem der Ausdruck vorkommt: »wenn die Bourbons unsere Hilfe er- forderten«. Indes ist es unschädlich gestellt und wird noch mehr unschädlich sein, da die Bourbons, wenn die Sache schlimm geht, sich gar nicht einmal werden in Frankreich halten können. Wo ich bleiben werde, weiß ich noch nicht. Ich kann nur drei Bestimmungen haben: im Hauptquartier des Königs beim Staatskanzler, was mir das Wahrscheinlichste ist, oder beim hiesigen Kaiser, wo er sich aufhalten möge, oder endlich in London, was mir am unwahrscheinlichsten ist. Übrigens wäre alles Dreies nötig, denn an dem hiesigen Hof ist jemand von Tätigkeit, Aufmerksamkeit und Energie notwendig, und in London können sehr wichtige Unter- handlungen vorkommen. Der Krieg wird dort nicht populär sein, das Ministerium ist schwach, und doch hängt alles davon ab, daß England einen ganz hauptsächlichen Teil am Kriege nehme, nicht bloß Europa zwar unterstütze, aber doch übrigens seinen isolierten ——— *) Französischer Marschall, geb. 1770, † 1826. 507