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[ Band 4 Brief 255: Humboldt an Caroline Wien, 23. März 1815 ]
tief in diesen Schlamm getaucht, und es wäre unvernünftig, eigentlich reine Handlungen von ihnen zu erwarten. In dem Brief erzählt er mit wenigen Worten, was er bis Lyon, von woher am 11. der Brief geschrieben ist, getan hat, und vorzüglich mit großem Wohlgefallen, daß Monsieur *) und der Herzog von Orleans hätten vor ihm fliehen müssen. Er ladet sie ein, zu ihm nach Paris mit dem König von Rom zu kommen, und schließt damit, daß er hoffe, sie noch in diesem Monat dort zu umarmen. Im Eingang nennt er sie: »Ma bonne Louise« und am Ende: »Ma bonne amie«. Es ist aber in sich ein ganz ge- meiner, sich durch nichts auszeichnender Brief, keine Phrase, kein Wort, wie solch ein Glückswechsel, solch ein Unternehmen sie hätte von selbst eingeben müssen, wenn die Handlungen in diesem Menschen irgendeine Bedeutung hätten, die von den ganz platten Absichten unabhängig wäre. Die Aufschrift, mit seiner eigenen Hand ge- schrieben, ist: »L’Empereur Napoléon à l’Impératrice des Français à Vienne.« Sie selbst hat den Brief noch nicht gesehen, aber in diesen Tagen einen an ihren Vater geschrieben, in dem sie sich ganz in seinen Willen und seine Ansichten ergibt. Ich glaube Dir neulich geschrieben zu haben, daß Neipperg **) in ihrer höchsten und tiefsten Gunst ist. Es ist immer einer der anderen wert. Von Neipperg aber ist auch dies, wie seine ganze häusliche Ausführung, doppelt unwürdig, da ich selten eine Frau gesehen habe, die mit solcher Hingebung am Manne hängt, als die seinige an ihm. . . . ——— *) Vgl. S. 311. **) Adam Albert Graf v. Neipperg, geb. 1775, † 1829, 1815 Ober- stallmeister, 1821 Gemahl der Kaiserin Marie Louise. 501