< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 255: Humboldt an Caroline Wien, 23. März 1815 ]
255. Humboldt an Caroline Wien, 23. März 1815 Napoleon ist am 11. in Lyon eingerückt. Man hatte Pallisaden vor das Tor gestellt, um es zu verrammeln. Wie nun die Avantgarde ankam und »Français de l’Empereur« nannte, sprangen die Offiziere der Wache selbst hin, die Pallisaden weg- zunehmen und sie einzulassen. Macdonald wollte sich mit 3000 Mann bei Lyon verteidigen. Napoleons Soldaten kamen gegen sie, schossen aber nicht. Nun wollten auch sie nicht fechten und gingen zu Napoleon über, und Macdonald mußte nach Paris zurück. Ohngefähr 4000 Mann der alten Garde hatten Befehl bekommen, zu mar- schieren. Wie sie auf dem Wege waren, erklärten sie, daß sie nicht für aber auch nicht gegen Napoleon fechten würden. Wie es nun gehen wird, wenn die 30—40000 Mann, meist Nationalgarde, in das Angesicht seiner Truppen kommen werden, muß man sehen. Ich sehe nicht ab, wie und warum er nicht nach Paris kommen sollte. Göttlich ist es, daß er vorgibt, oder sich einzubilden scheint, daß Österreich auf seiner Seite sein wird. Er hat, doch glaube ich, wird dies vom hiesigen Hofe geheim- gehalten werden, der Kaiserin Marie Louise einen Brief geschrieben, der heute früh angekommen ist, und den ich, soweit sich diese Klaue, von deren Fürchterlichkeit man keinen Begriff hat, lesen läßt, ge- lesen habe. Er hat diesen Brief an Bubna *), der beim König von Sardinien in Genua ist, besorgt und dazu einen General gebraucht, der wieder einen Offizier Nyons damit beauftragt hat, indem er sich das Ansehen gegeben, durch diesen dem königlich französischen Gesandten am Sardinischen Hof Nachrichten zu schicken. Bubna hätte freilich besser getan, den Offizier verhaften zu lassen und den Brief nicht anzunehmen, allein alle diese Menschen haben einmal ——— *) Ferdinand Graf v. Bubna, geb. 1768, † 1825, österreichischer General und Diplomat. 500