Wilhelm von Humboldt, Caroline von Humboldt">Band 4 Seite 499
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[   Band 4 Brief 254:    Humboldt an Caroline    Wien, 19. März 1815   ]


ich bin in einer höchst schwierigen Lage, und es gibt in der unsrigen
(d. h. preußischen) unendlich bedenkliche Dinge, die mir tiefe Sorgen
machen, über die ich Dir aber nur durch Hedemann schreiben kann.
Gneisenau hat, wie ich aus einem Aufsatz von ihm, den er
aber nicht mir mitgeteilt hat, [sehe], andere Ideen, die ganz von
allem gemeinschaftlichen Handeln abweichen, nach denen man allen-
falls auch Napoleon stehen ließe, wo wir nur für uns, obgleich
dadurch immer für das Rechte zugleich föchten. Diese Ideen kann
ich nicht teilen, sie sind an sich nicht in meiner Politik und wären
höchstens und auch da als ein Wagestück ausführbar, wenn wir
einen König wie Friedrich II. in seinen ersten Jahren hätten. Eine
Minister- und Staatskanzlerregierung unter einem gewiß anders
denkenden König muß ein mehr anschließendes System befolgen.
Hedemann und der Prinz *) gehen denn wirklich Donnerstag
oder Freitag ab. Ich freue mich unendlich darauf, daß er mit
Adel zusammen sein wird. Sage mir recht, wie sie sind, und wenn
Hedemann auch nur kurz bleiben sollte, und sie beide sind einig, so
gib immer zu, daß sie sich verloben. Wir können bei dieser Wahl
kein Bedenken hegen.
Jetzt habe ich entsetzlich zu tun. Am 1/2 4 nachts bin ich
heute erst aus der Konferenz gekommen, und jetzt ist es nahe an 2.
Um 9 morgens früh kamen schon wieder Leute zu mir. Aber
meine Gesundheit und die ruhige Heiterkeit, die im Grunde nur
eine Klarheit ist, mit der ich selbst das Unglück fühlen könnte und
kann, sind unzerstörbar, und Du brauchst mich um nichts zu be-
dauern, als daß ich nicht bei Dir bin.
Lebe wohl, mein Inniggeliebtes.

———
*) Wilhelm, Bruder des Königs.

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