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[   Band 4 Brief 252:    Caroline an Humboldt     Berlin, 21. März 1815   ]


252. Caroline an Humboldt                     Berlin, 21. März 1815

Mein teures Herz!
Ich werde heute nur sehr wenige Zeilen schreiben, nur Dir
sagen, daß ich leidlich wohl bin. Gestern war ich so
vernichtet von der Nachricht von dem Tode der Emma
Körner, daß ich unfähig war zu schreiben. Die Gewalt des
Schicksals ist furchtbar. Furchtbar schauerlich muß es sein, so an
der Neige des Lebens allein zu stehen.
Ich habe Körners Brief an Parthey gesehen, in dem er
ihm diesen Tod ankündigt und ihm einige Aufträge gibt, weil er
den Leichnam seiner Tochter nicht in Dresden lassen will, sondern
hierher schicken, und es hat mich ein kalter Schauder übernommen.
Der alte Körner schreibt so gefaßt, beinahe kalt, daß ich tief bis
in sein Herz hinein fühle, wie es starr von Schmerz ist. O Gott,
sende ihm die Wohltat lindernder Wehmut und die Ahnung
ewigen Friedens!
Gestern am Abend kam Welcker *) von Kopenhagen an. Ich
habe mich innig gefreut, ihn wiederzusehen. Er wird einige Tage
hier bleiben, um Berlin kennen zu lernen, und mit uns zu sein und
dann nach Gießen zurückgehn. Er empfiehlt sich sehr Deiner
Gewogenheit.
Ich bin nicht eigentlich angst über das Evenement mit
Napoleon. In dem großen Weltgericht, das gehalten wird —
denn ich gestehe Dir, mir kommen alle Begebenheiten so vor —
wird es nötig sein, daß dieser Stoff der Gärung dazwischen falle,
damit das Gute und das Böse, die Wahrheit und die Lüge sich
schärfer sondern.
Auf jeden Fall muß dies Unternehmen seiner Laufbahn ein
Ende machen, früh oder spät.

———
*) Vgl. S. 227.

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