< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 118: Humboldt an Caroline Basel, 19. Januar 1814 ]
Ich habe Metternichen gesagt, und er gab mir vollkommen recht, daß, ehe Castlereagh zur Tabaksgesellschaft passen wird, viel Zeit vergehen möchte. Also auch Welcker *) geht in den Krieg? Ich fürchte, er hält es nicht lange aus. Gewandt, sich in jede Lage zu finden, ist er sonst genug. Seine Schwester schmerzt mich sehr. Schicke mir doch von ihren Versen. Wohl sind diese Art gebildeter Frauen und Mädchen, in denen die Natur weit über die Bildung ragt, und die eine eigene Zartheit mit Stärke verbinden, nur in Deutsch- land anzutreffen. Gerade das ist eine der schönsten Seiten an unserm Vaterlande, die ich immer am meisten bewundert und ge- liebt habe. Wenn es nur möglich ist, diese schönen, deutschen Eigen- tümlichkeiten zu erhalten! Mir ist manchmal sehr bange darum. Wie sie meiner Empfindung nach am meisten blühten, war Deutsch- land mannigfach zersplittert und geteilt, schwach als Nation, oft bedroht und oft angegriffen mit Glück. Nun wird und soll das anders sein und muß es, allein ob sich auch diese schönsten Seiten der Nationalität erhalten werden? Ob überhaupt der Schwung, den das Handeln genommen hat, auch ins Denken übergehen wird, oder darin unter uns das Höchste erreicht ist? Darauf bin ich, wenn wir es erleben, unendlich begierig. In der jetzigen sich auf den Krieg beziehenden Produktion sehe ich nicht, daß eben Dichtung und Schriftstellergeist gewonnen haben. Allein während des Gewirrs und der Gefahr ist das freilich auch noch nicht möglich. Nun gute Nacht, inniggeliebtes Herz. Lebe wohl. Ewig Dein H. ——— *) Friedr. Gottlieb Welcker, geb. 1784, † 1868, Altertumsforscher. 227