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[   Band 4 Brief 239:    Humboldt an Caroline    Wien, 8. Februar 1815   ]


239. Humboldt an Caroline                     Wien, 8. Februar 1815

Ich schreibe Dir, liebe Li, in Metternichs Konferenzzimmer,
von allen Bevollmächtigten, jetzt auch Lord Wellington
umgeben, im Augenblick, wo die letzte Konferenz über den
Negerhandel gehalten werden soll. Es ist nämlich heute einer der
Tage, an denen es unmöglich ist, eine halbe Stunde zu erübrigen,
und also muß Dich bitten, mir nicht zu zürnen, wenn ich Dir heute
nur einige flüchtige Worte sage. Ich kann es in der Tat nicht
anders. Ich wollte Dir gestern abend schreiben, allein es war
3 Uhr, als ich mit dem Nötigsten fertig wurde, und um 1/2 9 heute
früh mußte ich wieder beim Staatskanzler sein. Ich wollte also
nicht länger wachen.
Unsere Sachen sind übrigens, seit ich Dir zum letztenmal
schrieb, vollkommen abgemacht, wenigstens ist das das Resultat der
Gespräche zwischen Hardenberg, Metternich und Castlereagh
gewesen, denn eine wahre Konferenz haben wir erst heute
abend darüber. Leipzig haben wir nicht, aber Görlitz, Zeitz,
Naumburg und Weißenfels von Städten mehr als erst, ungefähr
900 000 Seelen, allein dem Flächeninhalt nach bekommen wir
mehr als die Hälfte. Thüringen und die Saale auf beiden
Seiten haben wir ganz, und Schwarzburg ist also auch jetzt unter
unserem Einfluß.
Wie ich über dies ganze Abkommen denke, weißt Du. Der
alte Metternich *) hat unter seinen berühmten dictis auch einmal ge-
sagt: »Cette affaire, comme toute affaire finira d’une manière quel-
conque«, und so wie das in dem tiefen Gleichmut des Vaters
ausgesprochen ist, dem am Ende alles einerlei ist, so handelt der
Sohn, und so entsteht, was jetzt entstanden ist.
Indes leidet Preußen doch nicht eben. Es stellt sich jetzt

———
*) Vater des Staatskanzlers.

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