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[ Band 4 Brief 230: Caroline an Humboldt Berlin, 5. Januar 1815 ]
Eine göttliche und authentische Anekdote muß ich Dir erzählen. Vorgestern gab der Fürst Hatzfeld *) ein Diner von 15 Personen und saß oben an bei Tisch, neben ihm rechts der Graf Caraman **), links der Graf Lottum ***). Beim Dessert kommt sein Sohn, ein Knabe von sechseinhalb Jahr herein, der Fürst gibt dem Kinde Biskuit und ein Glas süßen Wein. Der Kleine stößt mit Graf Lottum an und sagt: »Wir wollen Brüderschaft trinken«, und so geht er um den Tisch herum, stößt mit jedem an und trinkt. Wie er zum Graf Caraman kommt, ist das Glas leer. Der Fürst ruft ihn an und sagt: »Komm Kind, ich will Dir einschenken, daß Du mit Graf Caraman trinken kannst.« »Nein,« schreit der Knabe, »ein Hundsfott, der mit einem Franzosen trinkt.« Die Bestürzung Hatzfelds über diese Worte soll über jeden Begriff gewesen sein. Es waren sehr beunruhigende Gerüchte dieser Tage in der Stadt. Ich sage beunruhigend, Du weißt, wie ich das meine. Wenn einmal Friede unmöglich ist, so möchte ich lieber, der Krieg wäre jetzt. Die Konstellationen für Preußen scheinen nicht un- glücklich. Die Armee muß sich fühlen in dem, was sie getan hat. Österreich ist doch in seinem inneren Zustand wandelbar und zer- rüttet, sollte England ihm Subsidien geben? Mit Galizien be- kommt Österreich einen schweren Stand unter diesen Kombinationen, und in Italien ist es nichts weniger wie ruhig. Frankreich hat das Materielle seiner Verluste nicht ersetzt, die französische Armee verlangt jetzt und wird in zwei bis drei Jahren nach Krieg verlangen, durch Deutschland blicken gewiß alle Gutdenkenden, sie mögen Namen haben wie sie wollen, auf Preußen. Nur Preußen hat ——— *) Franz Ludwig Fürst von Hatzfeld-Trachenberg, geb. 1756, † 1827. **) Französischer Gesandter in Berlin. ***) Graf Karl v. Wylich und Lottum, geb. 1767, † 1841, General und Staatsminister. 453