< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 230: Caroline an Humboldt Berlin, 5. Januar 1815 ]
sich musterhaft betragen und Europas Undank gegen Preußen ist empörend. Verzeih, Geliebter, diese Digression. Gott weiß, wie mir das Herz bluten würde über einen Krieg, aber fühlen muß man doch immer, daß es etwas Höheres gibt als das Leben und des Lebens zeitliche Güter. 231. Humboldt an Caroline Wien, 13. Januar 1815 Mit den allgemeinen Angelegenheiten finden alle Menschen auf einmal, daß es besser geht. Indes ist viel Ein- bildung dabei, und alles, was man sagen kann, ist, daß endlich mit mehr Ernst unterhandelt wird. Wie sich auch die Dinge für uns endigen mögen, so ist eine schlimme und meines Erachtens sehr schlimme Sache jetzt nicht mehr zu ändern. Der König von Sachsen, nachdem man ihn ganz gegen Preußen und Deutschland erbittert hat, bekommt immer in oder außer Sachsen wenigstens 700000 Untertanen und bleibt den ersten deutschen Fürsten im Rang und im verfassungsmäßigen Einfluß gleich. Wenn wir uns sprechen, werde ich Dir erklären, wie ich nicht habe machen können, daß das anders wurde. Aber schlimm ist es. Was Du mir von den Juden schreibst, ist mir sehr auffallend gewesen. Auch hier neulich beim Kanzler am Tisch behaupteten einige seiner Räte, das von ihm gegebene Judenedikt *) habe diese schlimmen Folgen hervorgebracht, die vorzüglich in den kleinen Städten verderblich wären. Er, der immer sehr liberal ist, stritt dagegen. Ich bin ganz seiner Meinung und billige das Edikt. Es kann unmöglich vernünftig sein, den alten Unterschied zwischen Juden und Christen ewig bestehen zu lassen und das Vorurteil ——— *) Emanzipation der Juden, 11. März 1812. 454