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[   Band 4 Brief 222:    Humboldt an Caroline    Wien, 11. Dezember 1814   ]


gehören, gar nicht der Rede wert halte und in jedem Moment
bereit bin, alles, was ich dabei habe, wie Staub von den Füßen
zu schütteln.
Ich sagte Dir schon neulich, daß ich Gentz fast nicht sehe.
Ich habe ihn immer nur, seitdem ich hier bin, aufgesucht, um ihn
zu meinen Zwecken zu brauchen, und das fällt jetzt weg. Wir
sind sonst zu verschieden in allem, und was mich in der Jugend
an ihm reizte, das Bestreben, die Opposition unsrer Naturen immer
zusammen und zur Reflexion zu bringen, das hat jetzt in ihm alles
Leben verloren. Er ist stumpf geworden und sehr gesunken.
Eine Sache, die Dich schmerzen wird, weißt Du vielleicht noch
nicht. Das Schiff, auf dem Rauchs Monument *) war, die englische
Brigg Alexander, ist von einem amerikanischen Kaper genommen
worden in der Gegend zwischen England und Frankreich, wie
es scheint, und man weiß nicht, wo der Kaper hingegangen ist.
Hat er es nach Amerika gebracht, so ist es doch auf’s mindeste
einem sehr langen Aufenthalt, einer gefährlichen Seereise und vielen
Kosten ausgesetzt. Man hat schon alle möglichen Schritte deswegen
getan.
Der Prinz v. Ligne **) liegt sehr krank. Der König und Prinz
Wilhelm waren auch krank, aber es geht schon wieder besser. Der
Kanzler leidet fast immer, weil er keine Bewegung und dafür Ge-
mütsbewegungen hat. Ich bin beständig wohl, wirklich, seitdem
ich viel, viel weniger esse als sonst und noch weniger trinke, was
ich, wo ich auch essen mag, seit dem Kongreß durchsetze, von solcher
Empfindung, von Freiheit und Heiterkeit des Kopfes, daß ich nach
Tisch und am Abend bin wie andre, wenn sie aufstehen. Wenn
ich, wie jetzt zu meiner großen Freude manchmal geschieht, einige
Stunden im Bett wache, denke ich an Dich. Es ist nichts so

———
*) Der Königin Luise.
**) Karl Joseph Fürst v. Ligne, † 13. Dezember 1814 hochbetagt.

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