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[ Band 4 Brief 220: Caroline an Humboldt Berlin, 12. Dezember 1814 ]
Mein Diner letzthin ist sehr gut, obgleich steif ausgefallen. Frau v. Berg und Gräfin Voß waren auch da. Ich mußte neben der Prinzeß auf der rechten Seite sitzen, wo sie dann viel gesprochen hat. Prinzeß Charlotte *) nahm mich sehr freundlich auf und schien viel von unserm häuslichen Leben zu wissen. Sie ist groß, schlank, allein nur eben hübsch, weil sie 15 Jahr alt ist. Adieu, teures Herz. Deine Li. 221. Humboldt an Caroline Wien, 8. Dezember 1814 Es ist heute der seligen Mama Geburtstag, liebe Li, wo wir, solange ich im Hause war, meistenteils noch in Tegel waren. Ich erinnere mich, daß, wenn ich aus der Stube neben dem Saal, wo wir in späteren Zeiten lernten, durch die entlaubten Bäume über den See sah, mir oft sehr melancholisch zumute wurde. Überhaupt hat Tegel auf die Bildung meines Inneren einen sehr wichtigen Einfluß gehabt und bleibt mir immer darum wert. Die kleine Adel spricht sehr vornehm von dem armen Tegelschen Weinberg. Sie sagt »der sogenannte Weinberg«, als wenn sie gleich den Essig andeuten wollte, und »wenn es grün wäre, könnte die Aussicht ganz hübsch sein«. Wie ich ein Kind war, waren mir die Berge da wie Gebirge und der See wie ein Meer und beschäftigten meine Einbildungskraft sehr. So ist man in kurzen Jahren voneinander verschieden! Ich habe seit einer Konferenz gestern morgen sehr viel zu tun gehabt. Es mußten in den deutschen Angelegenheiten weit- läuftige Ausarbeitungen gemacht werden, die mich gestern den ganzen ——— *) Älteste Tochter Friedrich Wilhelms III., spätere Kaiserin von Rußland, geb. 1798, † 1860. 434