< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 220: Caroline an Humboldt Berlin, 12. Dezember 1814 ]
220. Caroline an Humboldt Berlin, 12. Dezember 1814 Allerdings ist es ein niederschlagendes Faktum, daß die Gunst der deutschen Fürsten sich mehr nach Österreich als Preußen neigt, allein ich begreife es aus zwei Ursachen. Einmal intrigiert und machiniert gewiß Metternich darüber auf alle nur erdenkliche Weise und hat vor Preußen einen unberechen- baren Vorsprung an Mitteln es zu tun, da die Zusammenkunft aller Fürsten und Minister in Österreichs Hauptstadt gehalten wird. Andernteils ladet der eigene, schwankende und oft sogar nicht rein deutsche Sinn die Fürsten und Minister ein, sich mehr an Österreich als an Preußen anzuschließen, denn eine innere Stimme sagt ihnen, daß alles so liegt, daß Preußen es viel strenger und ernster mit ihnen nehmen muß als Österreich. Indessen hoffe ich und weiß es auch zum Teil, daß die Völker nicht so denken wie ihre Fürsten, und meine Hoffnung ist, daß der Geist, der diesen letzten Krieg gemacht hat, auch noch waltend ist und die großen Weltbegebenheiten lenkt. Ich glaube, Du wirst es auch billigen, daß ich darauf denke, Adelheid in der Religion unterrichten zu lassen, damit sie zu Ostern konfirmiert werde. Ich werde heute abend deshalb mit Schleier- macher *) sprechen, der zu mir kommt, und der sie unterrichten will. Er wohnt nicht weit von mir, und da ich sie hinbringen muß, so ist dies auch ein angenehmer Umstand. Es wird Dich vielleicht wundern, daß ich von Hinbringen rede, allein das ist hier so ge- wöhnlich, daß sogar vornehme Mädchen, wie die Töchter des Fürsten Hatzfeld, zum Musikmeister gehen. Ich würde dies indes nie tun. Allein zwischen Stunden, die die Erwerbung eines Talentes betreffen, und Religionsunterricht ist ein mächtiger Unter- schied, und ich glaube, Du wirst nichts dagegen haben. ——— *) Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher, geb. 1768, † 1834, der berühmte Theologe. 433