< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 221:    Humboldt an Caroline    Wien, 8. Dezember 1814   ]


Tag bis spät in die Nacht und heute den ganzen Tag beschäftigt
haben. Ich bin nur zum Essen zum Kanzler gegangen. Morgen
werde ich noch damit zu tun haben. Diese beiden Tage hat auch
der Agamemnon geruht, der sonst täglich vorschreitet.
Ob aus den deutschen Angelegenheiten viel, ja nur etwas
werden wird, weiß Gott. Der wahre Sinn ist nur bei wenigen,
und bei einigen, mit deren Gefühl man noch allenfalls überein-
stimmen könnte, herrschen wieder wunderbare Ideen. Metternich
nimmt sich mit Kälte, mit Nachlässigkeit, mit Zögern, ohne Eifer
und Ernst. Der Kanzler ist auch dabei gut, hält besonders aufs
Recht und beschützt die Mediatisierten. Davon will man aber bei
Bayern und Württemberg nichts hören. So zerrt es sich hierhin
und dahin und kommt nicht zu Ende. Das Gute ist, daß viel
Wahrheiten gesagt und geschrieben werden. Münster *) hat (unter
uns) Noten an Württemberg und Baden im Namen Österreichs
und Preußens gemacht, die Dich göttlich belustigt haben würden;
ihnen immer so ganz rein gesagt, daß sie nur durch das Franzosen-
wesen, das nicht mehr ist, etwas sind. Württemberg gibt sehr klein
bei seitdem.
Die Stadt Frankfurt hat mir wirklich geschrieben, die Pension
der Lolo **) übernehmen zu wollen. Allein es sind zwei Bedenken
dabei, wovon ich eins nicht einmal Lolo sagen kann. Erstlich will
die Stadt es nur für ihr Leben tun, und ich weiß nicht, ob die
Pension des Schatzes ***) nicht weiterging auch auf die Kinder. Dann
ist es ungewiß, ob Frankfurt eine freie Stadt bleibt, Bayern streckt
die Hände danach aus, Metternich begünstigt es sichtbar, wir
streiten und werden streiten.
An Paris zweifle ich zwar eigentlich nicht. Aber manchmal

———
*) Hannoverscher Minister.
**) Schillers Witwe, Charlotte.
***) Dalberg.

                                                                       435