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[   Band 4 Brief 212:    Caroline an Humboldt     Berlin, 17. November 1814   ]


gewaltet hat, so dünkt mich, ist das größtenteils Österreichs Schuld,
und namentlich Metternichs. Ich bin überzeugt, wenn er jetzt
noch aufschieben könnte, er täte es. Er ist von Seiten des Gemüts,
des menschlichen Eingehens in menschliche Verhältnisse der Zeit
und dem, was sie aufgeregt hat, nicht gewachsen.
Österreich ist im ganzen überhaupt zurück, und es ist, mein
ich so in mir, das Land, dem die nächsten großen Veränderungen
in Europa bevorstehen. Dazu ist es so verschiedenartig und
heterogen in seinen Kräften gemischt, in den Nationalitäten, aus
denen es besteht, daß ich alles wetten möchte, daß es noch in
diesem Jahrhundert aufhören wird, eine deutsche Macht zu sein.
Deutschland, deutsche und nationelle Deutschheit ist offenbar noch
im Wachsen, und damit hält Österreich nicht Schritt. Den Geist
der Zeit aufzuhalten, dazu ist offenbar keine Macht stark genug,
und die Geschichte gibt große Aufschlüsse über das, was die Zu-
kunft noch verbirgt. Aber freilich lesen wohl die Herren sie nicht.
Sage mir doch gelegentlich mit einem Wort, ob denn die
Holsteiner sich gar nicht geregt haben beim Kongreß, sich dem so-
genannten dänischen Königsgesetz zu entziehen, dem man sie so
widerrechtlich unterworfen hat? und ob sie nicht eine genauere
Wiedervereinigung mit Deutschland wünschen. Hier in der Stadt
geht das Gerede, England werde Dänemark gegen Hannover ein-
tauschen, welches denn wohl ein Stadtgerede gleich so vielen andern
ist. So sagt man seit gestern auch wieder, daß, da man sich im
allgemeinen nicht über Polen vereinigen könne, wir den größten
Teil unseres ehemaligen Besitztums in Polen wiederbekommen und
von Sachsen den Strich von Wittenberg und Torgau, das übrige
dem König von Sachsen zurückgeben würden.
Adieu, süßes Herz. Ewig Deine Li.

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