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[ Band 4 Brief 205: Caroline an Humboldt Berlin, 7. November 1814 ]
Carl ist eben bei mir gewesen, und ich kann sagen, dies sind die ersten Augenblicke, in denen ich ihn gesprochen habe. Seine Offenheit, seine Liebe und tiefes, inniges Zutrauen zu mir haben mich unaussprechlich gerührt. Er ist glücklich, ruhig und heiter in sich. Es ist aber die Ruhe und Heiterkeit, die aus den Stürmen des Gemüts endlich errungen wird, und diese Spuren trägt auch sein ganzes Wesen. Der Liebe! Ich kann nicht sagen, wie’s mich freut und rührt, ihn nach so langer Zeit endlich wiederzusehen und ihm so nahe zu stehen, ihm so lieb zu sein. Abends. So weit hatte ich vor Tisch geschrieben, als Frau v. Burgs- dorff *) hereintrat und nach ihr Gräfin Voß mit ihrer Mutter. Frau v. Burgsdorff ist viel lebhafter wie ehemals, man erkennt sie kaum wieder, und noch ebenso hübsch, Burgsdorff ist im Äußern und Innern ziemlich unverändert, ist nie ganz zufrieden, nie ganz be- schäftigt und lebt immer mehr in der Zukunft als in der Gegenwart. Indem ich mich nun nach allen diesen Visiten zu Tisch setzte, brachte man mir Deinen lieben Brief vom 2. November. Des Kaisers von Rußland Ideen über Polen glaubt man in Frankreich zu kennen, und ich hörte davon bei Frau von Staël, die ihre Freude darüber nicht verbergen konnte. Alles Französisch- gesinnte betet den Kaiser von Rußland an, denn einmal hat er der französischen Eitelkeit am meisten geschmeichelt, dann aber auch kennt man seine philanthropischen Ideen über Polen und hofft wohl heimlich, daß dort im Norden ein neuer Krieg sich entspinnen werde, während dem es ihnen, den Franzosen mein ich, möglich sei, einen neuen Unfug anzuspinnen. **) Über Sachsen fand ich in Deutschland, wo ich davon reden hörte, ——— *) Gattin Wilhelm v. Burgsdorffs. **) Auf dem Kongreß vertrat Frankreich offiziell die entgegengesetzte Ansicht. 403