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[ Band 4 Brief 192: Humboldt an Caroline Wien, 20. August 1814 ]
allgemeine Grundlage wird, die niemand verschmähen kann, ohne sich selbst verachten zu müssen, und auf der nachher jedes andere aufgebaut werden kann. Es muß daher gar keinen doppelten, sondern nur einen in beschränkterem Raume stehen bleibenden und einen weitergehenden Unterricht für die Geringsten und Vornehmsten geben, und die Erziehung leidet kaum nur noch diesen Unter- schied. Ebenso ist es da, wo in der Nation die zweite Trennung angeht, die des Gelehrten- und die des Geschäftslebens. Auch da hat man ganz eigene und verschiedene Methoden gesucht, und z. B. in Bayern ganze Universitäten, wenn sie auch nicht diesen Namen trugen, ohne Unterricht in alten Sprachen ge- stiftet. Aber da man nie den Menschen abrichten darf, und ein bloß abgerichteter auch immer ein unnützer und gefährlicher wäre, sondern immer bilden muß, so muß auch zwischen diesen beiden Ständen der Weg derselbe sein, und nur ein Punkt eintreten, wo- die einen stehen bleiben, die andern weitergehen. Diese Grundsätze haben gewiß nirgends so fest bestanden und sind so unverbrüchlich befolgt worden als bei uns, wie ich dies Fach leitete. Es war gar nicht gerade mein Verdienst, aber wir waren mehrere, die das Rechte einsahen, und ich hatte Einfluß, es durchzusetzen. Vermutlich hat es sich auch jetzt noch erhalten. Den 21. Martens, *) der Hofrat aus Göttingen, von dem ich Dir ja wohl sprach, ist angekommen, und ich werde jetzt anfangen können, zu der deutschen Verfassung vorbereitend zu arbeiten. Es ist mir sehr lieb, denn es war mir doppelt unerträglich, von Dir getrennt hier zu sitzen, da ich nicht einmal meine Bestimmung hier erfüllen ——— *) Georg Friedrich von Martens, geb. 1756, † 1821, Diplomat und Publizist, 1814 vom König von Hannover zum Geheimen Kabinettsrat ernannt. 381