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[ Band 4 Brief 192: Humboldt an Caroline Wien, 20. August 1814 ]
ganz in einer geschiedenen Kluft gegen Adam Müller liegend vor, und er taugt gewiß zu allem mehr, als Erziehungsmethoden zu beurteilen. Die Art vornehmer Erziehungsanstalt, die er selbst hier anlegte, hat mir wenigstens einen sehr üblen Begriff seines Systems gegeben. Nur sehr wenige, und am seltensten die, welche an der Staats- verwaltung teilnehmen, fühlen recht lebendig, wie notwendig es ist, eine so enge Verbindung als möglich zwischen dem Volk und den höheren Ständen anzuknüpfen, wie aber in dieser Verbindung gerade jeder in seiner eigentümlichen Lage bleiben und sie keine Verwechslung der Stellung sein muß. Alle Kraft, alles Leben, alle Derbheit, alle Frische der Nation kann nur im Volk liegen, das, so wie es immer als Masse handelt, auch einen solchen Charakter hat. Was über die Volksbildung sich erhebt, geht schlechterdings ins Individuelle und tritt so, seinem Streben nach, aus der Nation heraus. Da nun aber die Nation im wahren Sinn aus beiden zugleich bestehen soll, und ihrer Natur nach (da der Mensch nun einmal bestimmt ist, mit seinem Geschlechte zu gehen, und er, aller individuellen Fähigkeiten ungeachtet, sich nur in einer sehr beschränkten Weite von demselben entfernen kann), so muß der Charakter des Volks durch Erziehung und andere Mittel in einem Staate so gehalten werden, daß er der feinsten Bildung nicht bloß tiefe Achtung, sondern Lust und Neigung einflößt, die eigene (von ihr nie ganz zu trennende) Verzärtelung in seiner Kräftigkeit und Frische zu stärken und zu erneuern; ungefähr ebenso, als das Alter sich zur Jugend hingezogen fühlt. Die niederen Stände bedürfen zu ihrer Bildung der höheren viel weniger, sie sind eigentlich selbständig, wie die Natur auch nicht des Menschen, wohl aber er ihrer bedarf. In die höheren Stände bringt man aber das Volksmäßige nicht, wenn man nicht den Volksunterricht so anordnet, daß er eine 380