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[ Band 4 Brief 192: Humboldt an Caroline Wien, 20. August 1814 ]
192. Humboldt an Caroline Wien, 20. August 1814 Ich schicke Dir heute einen Brief, liebe Li, der für Dich angekommen ist, und der eine so närrische Hand und Adresse hat, daß ich gar nicht begreife, von wem er sein mag. Ich lege Dir auch ein paar Gedichte aus den Berliner Zeitungen bei. Das eine auf Körner kennst Du schon. Je öfter ich an ihn denke, desto mehr finde ich ihn glücklich, so geendet zu haben. Überhaupt heiligt nichts so ein Leben als der Tod, und es ist wunderbar, wie ihm viele Menschen so gram sind. Körner ist nun wirklich zu einer vollendeten Gestalt geworden. Jugend, Dichtung, Vaterlandsliebe, Tapferkeit haben sich zu diesem einen frühen Ende verschlungen. Wäre er leben geblieben, hätte sich das Magische, das jetzt die beiden letzten Eigenschaften haben, in etwas ganz Gewöhnliches verloren, was er mit vielen andern geteilt hätte, die Entwicklung der Dichtung blieb zweifelhaft, und die Frische der Jugend verging. Du fühlst das gewiß; Du schriebst mir auch einmal etwas Ähnliches über den Tod, das ich sehr wahr und schön fand. Du hast mir neulich einen Brief von Schmidt, dem aus den Vorarlbergen, zugesendet. Er hat mir sehr viel Freude gemacht, es drückt sich eine sehr ernste, kräftige, aufs Gute gerichtete Gesinnung darin aus. Ich denke, daß ich werde etwas für seine Bemühungen tun können. Ich werde mich an Adam Müller *) wenden, nur weiß Gott, wie der über diese Art der Unterrichtsmethode denkt. Ich kann nicht leugnen, daß ich seine Meinungen darüber fürchte. Eine hat er leider gewiß, und er ist schlechterdings nicht der Mensch, diese Dinge richtig zu beurteilen, wozu eine viel schlichtere Gemütsart und eine einfachere Charakterkraft gehört, als ich je an ihm bemerkt habe. Das Volksmäßige kommt mir ordentlich wie ——— *) Geb. 1779, † 1829, Publizist, Freund von Gentz, 1813 österreichischer Landeskommissar in Tyrol, 1815 österreichischer Generalkonsul für Sachsen. 379