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[ Band 4 Brief 190: Humboldt an Caroline Wien, 14. August 1814 ]
wird mir dadurch schon zu einem lichten Punkt. Es hat wenigstens viel mannnigfaltigere Gegenstände des Interesses, die Gesellschaft macht keine Ansprüche darauf, vertraut zu werden, läßt einen aber auch freier von allen ihren kleinlichen Verhältnissen. Ich suche noch immer eine Wohnung, bin noch immer im Römischen Kaiser. Bei Gentz pflege ich zu frühstücken. Ich bleibe bei meiner einfachen Tasse Kaffee, indes er Unendliches ißt und trinkt. In dieser Fülle von Bedürfnissen, die er hat, und der Armut an Bedürfnissen, die ich habe, können sich zwei Menschen nicht ungleicher sein, als wir es sind. Bei der Schlegel *) war ich sehr lange und habe sehr interessant mit ihr gesprochen. Sie hat immer unleugbar viel Geist und jetzt einen milderen, und was immer damit verbunden ist, auch tieferen wie sonst, wo sie wohl trocken und absprechend war. Wir haben meistenteils über den Mann **) und seine Projekte gesprochen, sind aber von da aus auf allgemeinere Dinge gekommen. Es ist offenbar, und sie leugnet es selbst nicht, daß sie ihn bei weitem nicht in allem billigt und manches anders wünschte; vorzüglich mehr wissenschaftliche und schriftstellerische Tätigkeit. Sie ist auch im Grunde gegen den Gedanken, ein Amt zu suchen, ungefähr aus den gleichen Gründen. Allein dabei nimmt sie doch auch das ihr Mißfällige auf, wie sie soll, und ist darin von hoher Gerechtigkeit, noch außer der natürlichen Nachgiebigkeit gegen den, dem man gut ist. Es ist wirklich einer der schwierigsten Punkte im Menschen, der Anteil, den man an Ideen nimmt, mit dem, welchen man an der Welt nehmen soll, gehörig zu verbinden. Die meisten glauben es darin hoch zu bringen, wenn sie beides durch einander mäßigen ——— *) Vgl. S. 11. **) Friedrich v. Schlegel, geb. 1772, † 1829, Ästhetiker, seit 1809 literarischer Hilfsarbeiter und Sekretär an der Wiener Staatskanzlei. 376