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[ Band 4 Brief 190: Humboldt an Caroline Wien, 14. August 1814 ]
und in ein gewisses Gleichgewicht bringen und so ein Mittelding werden zwischen Theoretischem und Praktischem. Allein das fühlen wenige, und übt fast niemand, daß man in beidem gleich rein leben, mit beidem gleich vertraut sein und beides gleich gerecht, aber auch gleich streng behandeln muß. So eine Verwechslung der irdischen und überirdischen Sphäre kann einen Menschen, der sich heraus- zuwickeln nicht Geschicklichkeit oder Mut hat, reinweg um sein Leben bringen, und Schlegel ist gar sehr in diesem Fall. In Rücksicht der äußeren Lage hätte sie am meisten Lust, in Wien zu bleiben, und allerdings ist es auch für einen Menschen, der von deutscher Schriftstellerei fait macht, bedenklich, Deutschland zu verlassen. Der Bruder *) schon hat dies zu seinem Schaden er- fahren. Lebe wohl, süßes, teures Wesen, umarme die Kinder. Ewig Dein H. 191. Caroline an Humboldt Coppet, 19. August 1814 Ich bin seit vorgestern hier, mein liebster Wilhelm, und bin auf eine wirklich sehr freundschaftliche und herzliche Weise aufgenommen worden. Ich war im Wirtshaus abgestiegen, um mich und die Kinder abzustauben. Allein nicht fünf Minuten darauf kam Albertine **) und Schlegel, mich abzuholen. Auf dem kurzen Wege nach dem Schloß begegneten wir schon Frau v. Staël, die uns entgegenkam. Sie nahm mich untern Arm und wollte gleich alles auf einmal wissen. Sie hat mir, bis wir den Salon ——— *) August Wilhelm v. Schlegel, geb. 1767, † 1845, Kritiker, Sprach- forscher und Dichter, lebte seit 1804 meist bei Frau v. Staël. **) Tochter der Frau v. Staël, später Herzogin von Broglie. 377