< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 156:    Caroline an Humboldt     Wien, 18. April 1814   ]


Es setzt dieser Gedanke mich in keine geringe Seelenmotion. In-
dessen aufs Ungewisse, Unentschiedene hin den Sommer hier zu
bleiben, ich gestehe Dir, würde mich, glaube ich, auch nicht
erfreun. Meine Nerven bedürfen wirklich einer Veränderung
der Luft. . . .
Kämen die Souveräne alle her und gäbe man die Feten, von
denen hier schon monatelang die Rede ist, so wäre dies eigentlich
für mich eine entscheidende Ursache wegzureisen. *) Die bloße Garde-
robe, die gestickten Hof- und Ballkleider könnte ich nach einer
Berechnung, die ich darüber mit den Prinzessinnen von Kurland
angestellt habe, nicht unter 3000 Gulden Wiener Währung haben,
und da ich keinen Schmuck habe, so wäre dennoch meine Toilette
immer zurück gegen alle anderen, und Schmuck zu kaufen, wäre
doch eine Raserei.
Adieu, Deine treue Li.


157. Caroline an Humboldt                     Wien, 21. April 1814

Wie lebst Du, meine süße Seele? Noch habe ich nichts
von Dir aus Paris. . . .
Einen harten Stand aber, finde ich, wird denn doch
Ludwig XVIII. haben, und die neue Konstitution scheint mir ein
sehr unverdautes Opus.
Mit welchen Empfindungen muß Fürst Metternich Paris
betreten!
Wie kann Napoleon so enden und nicht tausendmal den Tod

———
*) Die Anzahl der Fremden — etwa hunderttausend — die der Kongreß
nach Wien zog, veranlaßte eine ungeheure Steigerung aller Preise. So
zahlte beispielsweise Lord Castlereagh für sein Appartement monatlich
500 £ = 10000 Mark.

                                                                       305