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[   Band 4 Brief 150:    Humboldt an Caroline    Dijon, 31. März 1814   ]


Überhaupt muß ich oft lachen, wenn ich die großen Geschäfte so
gravitätisch zum Prätext alles Egoismus nehmen sehe. Die meinigen,
gottlob, erlauben mir noch immer, Dir alle Tage zu schreiben,
alle Morgen im Homer zu lesen und ein sehr gemütliches Leben
in manchen Träumen zu führen.
Ich bin sehr neugierig, zu hören, was Du über meine Sonette
sagen wirst. Mir ist das mittelste das liebste, aber keins genügt
mir ganz. Überhaupt nehme ich mich ordentlich in acht, Verse zu
machen, denn ich bin tief überzeugt, daß es meine Anlage nicht ist.
Die Form der Sonette ist aber für mich nicht die ungünstigste.
Da ich selten eine große Lebendigkeit habe, so ist es mir angemessen,
mich mehr in eigentlichen Ideen zu halten, und die Dichtungsart
zwingt zur Kürze.
Ich soll an ein Haus für den Winter in Wien denken, süße
Seele? Gott, wieviel liegt noch zwischen meinem Fuß und der
Schwelle dieses Hauses!
Lebe wohl, inniggeliebte Seele.


151. Humboldt an Caroline                  Dijon, 3. April 1814

Von den Armeen und Paris wissen wir gar nichts, liebe
Li. Sehr recht hast Du zu meinen, daß die Dinge jetzt
nicht mehr anders als viel größeren Erfolg haben können,
als man sich anfangs einbildete, und mir ist es sehr lieb. Soll
ins Gleiche kommen, was seit der Revolution verrückt worden ist,
so kann es so leicht nicht abgehen, und so mußte man sich dem
großen Dilemma aussetzen, den Zweck zu erreichen, wie bei gehöriger
Anwendung aller Mittel auch gar nicht fehlen kann, oder vielleicht
auch ganz zu mißlingen. Ich, der ich recht gern zu den strengen,

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