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[   Band 4 Brief 147:    Humboldt an Caroline    Dijon, 28. März 1814   ]


Sprachen« ganz buchstäblich und lassen die Toten ruhen. Nur ich lebe
immer mehr mit den Alten. In St. Seine habe ich den ganzen
Abend im Demosthenes gelesen und in der Felsgegend um Val de
Suzon den Tod des Patroklus. Es ist mir immer eine der rührendsten
Stellen im Homer gewesen und Dir, wie ich mich erinnere, auch.
Ich begreife es sehr gut, wenn es den meisten Menschen im
Herumwandern des Hauptquartiers unbehaglich ist. Wenn ich
bloß so in dem äußeren Umtreiben, und den oft einem nicht nach
Sinn gehenden Geschäften lebte, wäre es mir auch so. Aber wer,
wie ich von mir mit Gewißheit sagen kann, daß er wovon er
eigentlich lebt, sei es auch nur in Erinnerung und Sehnsucht, mit
sich herumträgt, der bettet sich überall gern, und läßt das Übrige
wie ein Schauspiel an sich vorbeigehen.
Deine Sehnsucht nach Italien hat mich tief ergriffen. Wohl
muß man dies Land ewig so fühlen und wir am meisten, da es
einen Teil unseres Liebsten behalten hat. Wäre ich nach Paris
gekommen, oder sollte ich noch dahin kommen, so werde ich den
Garten gewiß aufsuchen, wo die arme, kleine Luise liegt. Ich bitte
Dich sehr, ihn mir recht deutlich zu bezeichnen.
Es freut mich, daß Du meine ferneren Bemühungen für
Thalebra billigst. Gott, ich liebe diese Güter nur, weil Du da
lebtest, da warst, weil sie die Gegend sind, die mir, da ich Dich
kannte und noch nicht besaß, wie ein Zauberland vorkamen, aus
dem mich ein süßer, unbegreiflicher Hauch anwehte, die ich mit
keiner anderen vertauscht hätte. Ja, liebe, süße Li, es war ein
wunderbares und seltenes Glück, das mir gönnte, Dein zu werden,
und ich kann nie ohne tiefe Rührung, auch noch unabhängig vom
Gefühl der Liebe und der Anhänglichkeit für Dich, an diese un-
verdiente Gunst des Schicksals denken. Da sich jeder Mensch nur
selbst genau kennen kann, so weiß ich, wie das Beste in mir unter-
gegangen wäre, hättest Du es nicht auf so mannigfaltige Weise

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