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[   Band 4 Brief 127:    Humboldt an Caroline    Chatillon, 9. Februar 1814   ]


ich ihm sogar, ganz ohne meinen Willen, eine eigentliche Freude
gemacht. Der alte Lord Cathcart saß zwischen mir und ihm und
ennuyierte mich nach seiner Art mit Lobeserhebungen »du vieux
Petersbourg« und Rußlands und fand die hellen Nächte vorzüglich
schön. Ich antwortete schon lange sehr trocken und sagte endlich:
»Aucun pays n’est assez beau pour être éclairé pendant 24 heures;
c’en est bien assez de douze.« Wie Caulaincourt dies zufällig
hörte, hat er nicht aufhören können zu lachen, da er gerade auf
Rußland am meisten erpicht ist.
Auch noch eine närrische Szene habe ich mit ihm gehabt.
Stadion, er und ich sprachen und lobten Wien, wie das in der
Gesellschaft hergebracht ist. Da ich immer liebe zu sagen, was im
Grunde wahr ist, und es den Augenblick nicht scheint, so sagte ich:
»Ce qui prouve, combien Vienne est agréable, c’est que nous
désirerions tous d’y être déjà.« Kaum hatte ich das ausgesprochen,
so hättest Du hören sollen, mit welchem Ton er sagte: »O, comme
je voudrais Vous y savoir, et« setzte er hinzu, »je suis beaucoup plus
croyable en cela que Vous.« Du siehst, wie wir uns doch manch-
mal egayieren.
Stadion fragt mich beständig, ob Du mir nichts Neues aus
der Wiener Gesellschaft schreibst. Er kann, da jetzt unser Brief-
wechsel oft durch seine Hände geht, gar nicht begreifen, was man
sich sonst alle Tage schreiben kann, freilich mag nach der Art, wie
diese Herren mit ihren Frauen leben, das zu begreifen schwer sein.
Es geht nichts auf Erden über die Herzlosigkeit, und all diese
Menschen, vor allem Stadion, sind nicht so von Natur; sie machen
sich von selbst recht mit Fleiß dazu.
Lebe wohl, liebes, teures Wesen. Ewig Dein H.

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