< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 126:    Humboldt an Caroline    Chatillon, 8. Februar 1814   ]


und, auch was ihm begegnet, wechseln und sich umwandeln soll, es
für mich kaum einen anderen Gegenstand des Anhängens und der
Liebe geben kann. Darum aber gerade, gerade, bin ich weicher in
dem einen.
Es wird Dir sonderbar vorkommen, liebe Li, und es ist es,
daß ich jetzt und von hier und in der Nähe der größten Be-
gebenheiten so von mir und Dir rede und schreibe, wie ich es
ehemals im ruhigsten Sein aus Berlin oder Burgörner tat. Aber
das Leben verrinnt, und das einzig Wahre auf Erden ist der
Mensch zu dem Menschen, und gerade die größten und wichtigsten
Ereignisse führen mich immer auch am meisten darauf zurück. Also
verzeih mir, süßes Wesen. . . .


127. Humboldt an Caroline               Chatillon, 9. Februar 1814

Das Wetter ist gelinde geblieben, liebe Li, und man wird
bald können Erde und Himmel genießen. Mich verlangt
sehr danach, denn Du weißt wohl, daß mein Haß gegen
Natur und Bäume sich nur äußert, wenn ich sie mit dem Salon
der Prinzessin Fisch *) sehen soll. Sonst hat wohl über wenige
auch nur ein einziger Blick in die Weite oder auf den gestirnten
Himmel eine solche Gewalt.
Mein Haus liegt traurig, mein seidenwurmartiges Leben setzt
aber seine Funktionen hier ebensogut fort als bei der Aussicht
auf die hübschen Berge in Freiburg. Hoffentlich übrigens dauert
es hier nicht lange. Denn worüber ich auch und selbst ich nicht
unterlassen kann mich zu beklagen, es ist hier eins der langweiligsten
Leben, die ich je führte. Alle Tage Diners von 20 Personen, die
so zusammen, wie sehr ich viele einzeln liebe, langweilig wie die

———
*) Fürstin Katharina Bagration.

                                                                       243