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[ Band 4 Brief 120: Humboldt an Caroline Lure, 25. Januar 1814 ]
Langres, 27. Januar 1814 Ich bin vor einigen Stunden hier angekommen und wohne in einem sehr weitläufigen, aber freilich unbequemen Hause, denn die Kamine rauchen alle. Hier sind alle Souveräne und Kabinette versammelt, und Schwarzenberg geht erst diese Nacht weiter vor. Den meisten Menschen mißfällt es fürchterlich in Frankreich. Sie sehen überall Schmutz, Armut, frieren am Kamin, sind außer sich, wenn er, wie hier alle tun, raucht, und wünschen sich weit von hier. Da mir die Franzosen, um unter ihnen zu leben, ohne noch mit ihnen umzugehen, immer gefallen haben, so weiß ich nicht, warum sie mir mißfallen sollten, da sie unsere Besiegten sind. Das Streben nach dem Göttlichen fehlt allerdings den Franzosen als Nation, und man kann fast ohne Ausnahme hinzu- setzen, auch im einzelnen. Denn es ist das Streben nach dem Idealischen, schlicht und einfach genommen, und das gerade ist ihnen ganz fremd. Sie sind befangen im gewöhnlichen Leben oder künstlich und manieriert in dem, was darüber hinausgeht. Man kann darum keine sonderliche Achtung für sie haben. Weil sie aber weich und gutmütig und angenehm sind, so ist Mitleid die recht eigentliche Empfindung für sie, die bis zum Tragischen ge- spannt werden kann und muß, wenn so furchtbar wilde und un- gerechte Gewalt ihre Schwäche und ihren Leichtsinn mißbraucht. Auch sind sie zum Teil der Verzweiflung sehr nahe. Da Dich Talleyrands Bonmots amüsiert haben, so kann ich Dir noch eins, das man erzählt, das aber nicht von ihm ist, schreiben. An eine Statue Napoleons hat man die Nacht angeschrieben: »Passant, hâte-toi de passer, il va tomber«. Lebe wohl, teure Seele, umarme die Kinder. Ewig Dein H. 232