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[   Band 4 Brief 113:    Humboldt an Caroline    Freiburg, 12. Januar 1814   ]


mehr. Er nennt mich, wie ich weiß, kleinlich und schwierig. Er
hat sogar, was aber ein tiefes Geheimnis ist, beim Kanzler dahin
gearbeitet, daß nicht ich, sondern Krusemarck *) zum Kongreß er-
nannt werden möchte, allein, wie Du denken kannst, nur sich ein
Dementi damit gegeben.
Mir für mich wäre es recht gewesen. Mein Zenith im politischen
Wirken in dieser Sache wird immer der Kongreß zu Prag bleiben.
Allein Metternich hat Unrecht. Er muß wissen, daß ich immer
unparteiisch bin, gewiß vollkommen gerecht und billig gegen ihn,
und daß mit mir sich alles diskutieren läßt, überdies, daß ich beim
Kongreß immer von meinen Instruktionen abhänge. Dagegen
hätte er den Kongreß mit der Wahl von Krusemarck auf ein-
mal um alle gute Meinung in Deutschland und Preußen ge-
bracht. Mir hätte eigentlich kein größerer Triumph bereitet werden
können.
Der Kanzler ist immer derselbe gegen mich und schenkt mir
das größte Vertrauen. Auch jetzt denkt und arbeitet er vor allem
am Wichtigsten.
Beim König stehe ich gut. Er hat hier lange Unterredungen
mit mir gehabt. Er mißbilligt auch ganz die St. Aignansche **)
Unterhandlung, hat aber leider sehr enge Ideen, in die man nicht
eingehen kann. 
Mit Stadion und Razoumoffsky ***) bin ich sehr gut. Stein
und ich sind zwei Leute, die einander achten und wissen, daß, wenn
jeder seine Ansicht der Dinge befördern will, er den andern
halten und heben muß, allein unsere Individualität ist so un-

———
*) Preußischer General, geb. 1767, † 1822, war 1810 und 1813 Gesandter
in Paris, während des Feldzuges im Hauptquartier des Kronprinzen von
Schweden. 1815 Humboldts Nachfolger in Wien.
**) Vgl. S. 214.
***) Geb. 1752, † 1836, der Bevollmächtigte Rußlands, später russischer
Staatskanzler.

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