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[   Band 4 Brief 111:    Humboldt an Caroline    [Freiburg], 4. Januar 1814   ]


111. Humboldt an Caroline            [Freiburg], 4. Januar 1814

Gentz kam heute abend zu mir und brachte ein paar
Stunden mit mir zu. Wir sind wieder über eine Haupt-
sache, über meine Ideen über Deutschland sehr ver-
schiedener Meinung, allein ich rede demungeachtet immer sehr gern
mit ihm. Man sieht durch sein Gespräch immer gleich klar und
deutlich ein, was der Verstand für oder gegen eine Meinung
vorzutragen hat, und das ist trefflich, wenn man auch in den
Grundsätzen, welche die Überzeugung leiten, und die oft vom
Gefühl abhängen, sehr voneinander abweicht.
Auch haben wir einmal so viel miteinander gesprochen, daß
wir uns immer gleich verstehen und auch da, wo wir nicht zu-
sammenkommen, doch die Gründe der Verschiedenheit leicht einsehen.
Gentz hat mir erzählt, daß Radziwill gestern abend nun
Hardenbergs und meine Karrikatur fertig produziert hat, und daß
sie vortrefflich geraten sein soll. Dieses Original wird Gentz nach
Wien mitnehmen, wo es unstreitig viel Aufsehen machen wird.
Nur quält sich Gentz schon im voraus, wie er den ganz deutschen
oder englischen Calembour denen, die bloß Französisch wissen, be-
greiflich machen will.
Stein wünscht sehr, das neue Werk des Erzherzogs Karl zu
haben. Sei so gut, und kaufe es für ihn. Sollte es nicht zu
kaufen sein, so kannst Du wohl machen, daß der Erzherzog es mir
schenkt, dann gebe ich es Stein. Tu mir die Liebe, es ja recht
gut zu besorgen. 
Ich bin zwar oft mit Stein in Zank und Streit, seine Manier
ist der meinigen schnurstracks entgegengesetzt und für mich weit
mehr ermüdend als angenehm oder selbst interessant. Er kennt
auch unsere großen Verschiedenheiten und neckt mich ewig, allein
er hat doch eigentlich und hat von jeher gehabt eine solche Liebe

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