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[   Band 4 Brief 103:    Humboldt an Caroline    Bruchsal, 15. Dezember 1813   ]


Mit Wilken ging ich zu Boisserées *), von denen Du gewiß
durch Schlegel oft gehört hast.
Sie haben alle Bilder der ältesten niederländischen Schule zu-
sammengekauft, die sie nur haben bekommen können, und haben
eine einzige Sammlung. Ob man gleich zwei Stunden in einer
ungeheizten Stube bleiben mußte, habe ich lange keinen so inter-
essanten Anblick gehabt.
Sie haben zweierlei Art Gemälde, erstlich diese ältesten nieder-
ländischen Stücke, von dem Erfinder der Ölmalerei an, bis einige
Zeit nach Dürer herunter und dann deutsche Stücke, aus der
Gegend des Rheins von Köln bis Aachen etwa, auf Gold-
grund und, wie sie behaupten, den neugriechischen Bildern nach-
gemacht.
Unter den ersten sind himmlische Stücke. Zuerst zeigte er mir
eine sterbende Maria, ein Altarblatt mit Flügeln. [Folgt genaue
Beschreibung dieses und einer Reihe anderer Bilder.]
Die Bilder auf Gold haben eine Ähnlichkeit mit antiken Bas-
reliefs, lauter nebeneinander einzeln stehende Figuren ohne alle
Gruppierung, sehr schöne Gewänder, auch schöne Stellungen, aber
etwas steife Gestalten, lang und mit schmalen Schultern. Ein
Bild dieser Gattung ist aber wundervoll. Ein Schweißtuch mit
dem Christuskopf mit der Dornenkrone, von der heiligen Veronika
gehalten. Man sieht von der Heiligen bloß das liebliche, ganz
jungfräuliche Haupt (viel idealischer als die Dürerschen Madonnen,
und in der Art der Raphaelischen) und die zarten Finger, mit
denen sie das Tuch hält. Auf jeder Seite unten sind Engels-
köpfchen. Der Christuskopf ist bronzefarben auf dem weißen Tuch
und von einem Ernst, einem Schmerz, einem grandiosen, daß man

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*) Sulpice, geb. 1783, † 1864, und Melchior Boisserée, geb. 1786, † 1851.
Zwei um die Kunstgeschichte verdiente Gelehrte, die bedeutende Kunstschätze
gesammelt hatten.

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