< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 101: Humboldt an Caroline Darmstadt, 13. Dezember 1813 ]
101. Humboldt an Caroline Darmstadt, 13. Dezember 1813 Ich bin heute früh von Frankfurt weggereist und habe heute hier bei Hofe gegessen. Es kam mir sehr närrisch vor. Ich war hier 1788 und damals alle Abend bei der da- maligen Erbprinzessin, jetzigen Großherzogin *), die damals überaus schön war. Jetzt ist die Zeit nicht ohne sehr sichtbare Spuren darüber hinweggegangen, sie erinnerte sich aber sehr gutmütig daran. Die Arme der Großherzogin sind noch schön geblieben. Sie ver- lieren immer wenig durch das Alter. Der Kaiser von Rußland und die Fürstin von Thurn und Taxis waren auch hier. Groß- herzog und Großherzogin waren ausgezeichnet höflich gegen mich, aber es war närrisch, daß jeder von ihnen vor mir eine Szene eigener Energie spielte. Der zweite Sohn, Prinz Emil, ist in Leipzig gefangen genommen und nach Berlin geschickt worden, und ich habe zufällig dazu beigetragen, daß er gleich wieder loskam. Wie sie ihn nun mir vorstellte, hielt sie eine lange Tirade darüber, daß er dem Wege der Ehre gefolgt sei und sich nicht umgewandt habe, sondern der Bestimmung gefolgt sei, die ihm sein Vater bei Übergebung seiner Truppen gegeben habe. Ich verhielt mich sehr leidend dabei. Sie erhitzte sich aber immer mehr und sprach von den Leuten, die das übel empfunden hätten. Die Truppen haben indes die Sache besser verstanden. Die meisten sind desertiert und unter die deutsche Legion gegangen. Von 1500 hat er 250 zurückgebracht. Glaube mir, teure Li, es gibt nur zwei gute und wohltätige Potenzen in der Welt: Gott und das Volk. Was in der Mitte ist, taugt rein weg nichts, und wir selbst nur insofern, als wir uns dem Volk nahestellen. ——— *) Luise, geb. 1761, Tochter des Prinzen Georg Wilhelm von Hessen- Darmstadt, Gemahlin des Großherzogs Ludwig I., der sich erst am 2. No- vember 1813 den Verbündeten angeschlossen hatte. 195