< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 74: Humboldt an Caroline Rötha, 19. Oktober 1813 ]
Begriff machen kann. Es wurde heute früh eine Kapitulation angeboten, allein der Kaiser Alexander verwarf sie, und so ist die Stadt mit Gewalt genommen worden. Die Straßen liegen noch voller Toten. Der Kaiser Alexander und der König schlafen diese Nacht da, der Kaiser Franz ist hierher zurückgekommen. Es scheint nicht, daß wir morgen nach Leipzig gehen werden. Vermutlich folgen wir den verfolgenden Armeen gegen Altenburg und so weiter fort. Ich bin der einzige von des Kaisers Franz corps diplomatique hier, konnte aber der Lust nicht widerstehen, in der Nähe zu sein. Die Niederlage der Franzosen ist entscheidend und fürchterlich gewesen. Die Flucht und das Gedränge durch Leipzig so, daß Poniatowski *) ertrunken ist. Lauriston **) ist gefangen. Napoleon hat erst um 12 Uhr heute Leipzig verlassen. Er geht auf Merseburg und Weißenfels. Man folgt ihm aber schon überall nach. General Merveldt ***) war gefangen, der Kaiser Napoleon hat ihn auf sein Ehrenwort zurückgehen lassen. Er hat lange Ge- spräche mit ihm gehabt und hat wirklich angeboten, alle Festungen zurückzugeben, wenn man ihn hinter die Saale ziehen ließe, um dann zu unterhandeln. Er ist sehr verwundert gewesen, zu hören, daß Bayern sich mit Österreich verbündet hat. Er hat nicht aufhören können zu sagen, daß es unmöglich sei, daß Bayern und Wrede das getan habe, und hat hinzugesetzt: »Voilà ce que c’est que les hommes, le moyen de s’y fier!« Von Metternich (dies bleibt unter uns) hat er gesagt: »Il a du talent, il est calme, mais il lui manque une chose, ce n’est pas une tête carrée.« Man rechnet, daß in der Schlacht bei Leipzig, da sie so heißen ——— *) Joseph Anton Fürst Poniatowski, geb. 1763, † 1813, führte in der Schlacht bei Leipzig das 8. Armeekorps Napoleons. **) Französischer General, geb. 1768, † 1828. ***) Österreichischer General. 142