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[   Band 4 Brief 73:    Caroline an Humboldt     Wien, 17. Oktober  1813   ]


dem rechten menschlichen Wege und hat eigentlich nicht die großen
Ansichten, die er haben sollte, und mit denen allein er der Zeit
gewachsen wäre.
Ach, mein lieber Wilhelm, es geht mir wie dem Staatskanzler,
ich möchte Dich wie er zugleich in London und Paris, in Wien
und in Berlin und wer weiß wo haben, denn Du einest mit dem
hellsten Verstande die Einsicht, die man nur durch das Gemüt erlangt.
Über Paris läßt sich noch nichts sagen. Man muß, wie Du
sehr wohl geantwortet hast, erst sehen, wie dies Paris gestaltet
sein wird. Schlabrendorffen wiederzusehen würde mir eine sehr
große Freude machen, eine unaussprechliche. Im Hause wäre nur
Caroline *) zu fürchten, doch über dies alles ist es nicht an der
Zeit noch zu sprechen.
Was mich nur frappiert, ist, daß der Staatskanzler bei seiner
abnehmenden Gesundheit nicht an einen Nachfolger denkt, und die
Umgebungen muß er doch kennen, da er wohl sehr hellsehend ist?
Caroline **) bittet um die Besorgung des Briefes. Sie ist in
der fürchterlichsten Unruhe. Ich habe mein Gemüt still in die
höhere Führung der Dinge für Theodor ergeben.
Sonst, kannst Du wohl denken, fällt hier nichts vor. Wir
leben von dem Leben dort. Ewig Deine Li.


74. Humboldt an Caroline                Rötha, 19. Oktober 1813
                                                   um 7 Uhr

Ich bin heute bis hierher gekommen und schreibe Dir in
Metternichs Stube. Leipzig ist in unsern Händen. Die
Stadt hat nicht viel gelitten, allein es soll eine Ver-
wirrung und ein Gedränge darin sein, von denen man sich keinen

———
*) Älteste Tochter Humboldts, die Paris und alles Französische
verabscheute. — **) v. Wolzogen.

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